Ein digitales Denkmal entsteht

Ein Blick hinter die Kulissen unseres Online-Archivs

Millionen Dokumente reihen sich in den Archivräumen der Arolsen Archives aneinander – jede Akte ein Zeugnis, jede Liste eine Spur, jede Kopie ein Puzzlestein der Lebensgeschichten von NS-Opfern. Diese Schätze der Mahnung und Erinnerung wollen wir für alle zugänglich machen. Deshalb digitalisieren und indizieren wir diese wertvollen Zeugnisse  – auch mit der Hilfe ganz neuer Technologien. Kooperationen, Partnerschaften und Freiwillige unterstützen uns dabei.

Wie wir unsere Dokumente für die Zukunft bewahren

Die Arolsen Archives verwahren rund 30 Millionen Originaldokumente mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Seit 2013 gehört die Sammlung zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. 1998 haben wir begonnen, unseren Bestand zu digitalisieren. 2015 waren die ersten Dokumente bereits online durchsuchbar, seit 2019 arbeiten wir konsequent am Aufbau eines digitalen Denkmals, das immer weiter wächst.

Scannen, verschlagworten, online stellen

Das Online-Archiv erlaubt der Öffentlichkeit, nicht nur einen direkten Zugriff auf unseren Bestand, sondern hilft auch, die Erinnerung an die Gräueltaten dauerhaft zu bewahren. Aber wie viel Arbeit steckt in der Digitalisierung? Über viele Jahrzehnte haben sich die Mitarbeiter*innen der Arolsen Archives vor allem um Suchanfragen gekümmert. Nun haben sie noch andere Aufgaben: Das Konservieren, Scannen, Indizieren und Bereitstellen der Dokumente im Online-Archiv. Ein Blick hinter die Kulissen.

Fotograf: Greiner Napp

Vom fragilen Original zum wertvollen Digitalisat

Seit fast 80 Jahren lagern originale Inhaftierungsdokumente aus Konzentrationslagern wie Auschwitz, Buchenwald oder Dachau bei uns. Aber nicht weggeschlossen in Archivboxen, sondern jahrzehntelang als wichtiges Arbeitsmittel, tausendfach berührt und bald vom Verfall bedroht. Früh wurden sie deshalb per Mikrofilm kopiert. Für den Aufbau eines dauerhaften digitalen Denkmals wird ein Teil der Dokumente derzeit neu sortiert und gescannt. Um sie noch besser zu bewahren und noch mehr Informationen aus ihnen herauszuholen.

Einsatz neuer Technologien

Die vollständige Indizierung unserer Dokumentenbestände ist ein Mammutprojekt. Metainformationen aus den Dokumenten herauszulesen, war bisher extrem zeitaufwendig. Mittlerweile kommen neue Technologien zum Einsatz. Bei rund 50 Prozent der Sammlung spielen Optical Character Recognition (OCR), also die optische Zeichenerkennung, und Clustering eine Rolle. Mit welchen Herausforderungen wir dabei kämpfen, erklärt Michael Hoffmann, Referatsleiter für Prozesse und Qualitätsmanagement im Interview.

65. Bundesweites Gedenkstättenseminar, Foto: Elisa Oxe

KI hilft bei Rekonstruktion von Einzelschicksalen

Mehr als eine Million Listen lagern in den Arolsen Archives. Mit ihnen trieben die Nationalsozialisten ihr Verfolgungssystem zur perversen Perfektion. Heute geben die akribisch genau geführten Dokumente wertvolle, zusätzliche Hinweise auf persönliche Schicksale. Aber wer ist wo gelistet? Künstliche Intelligenz hilft, aus den Listen, Angaben zu NS-Opfern automatisiert herauszulesen, mit Informationen auf anderen Dokumenten zu verknüpfen und so Schritt für Schritt ganze Lebens- und Leidenswege nachzuzeichnen.

Kooperationen mit Unternehmen und anderen Archiven

Dank Projekten mit Unternehmen wie dem Ahnenforschungsportal Ancestry oder dem Softwareunternehmen Accenture gelingt es, möglichst viele Dokumente schnell und einfach durchsuchbar zu machen – auch von Bestandszugängen: Durch Kooperationen mit weltweiten Gedenkstätten und Archiven erwerben die Arolsen Archives regelmäßig Millionen weiterer Dokumente und machen sie online recherchierbar.

Mithilfe von Freiwilligen

Beim gemeinsamen Bau unseres digitalen Denkmals ist unser Crowdsourcing-Projekt #everynamecounts, besonders wertvoll. Seit dem 24. April 2020 rufen wir dabei Freiwillige auf Dokumente zu erfassen und so der Opfer und Überlebenden der NS-Verbrechen auf eine neue Art und Weise zu gedenken: Indem sie die bedeutenden Dokumente online indizieren und für Suchende weltweit auffindbar machen. Denn je mehr Dokumente vollständig indiziert sind, desto einfacher ist für Angehörige und Forschende die Suche nach Namen und Informationen zur Verfolgung.