Im Namen des Roten Kreuzes: „In vorzüglichster Hochachtung“

Mit Floskeln wie diesen scheiterte das IKRK an seinen eigenen Statuten. Schicksale von Frauen im KZ Ravensbrück machen deutlich, mit welchen Folgen

Ausschnitt aus einem IKRK-Schreiben

Der 29. Oktober 1863 markiert den Auftakt für die erste Genfer Konvention. An diesem Tag, bei der ersten Konferenz des Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), beschließen 16 Staaten, sich zukünftig für humanitäre Prinzipien in kriegerischen Konflikten einzusetzen: neutral, unparteiisch und vermittelnd. Für die Millionen KZ-Internierten in der NS-Zeit versagen diese Statuten. Mit welchen Folgen, davon zeugen die verzweifelten Anfragen von Angehörigen, die Kontakt über die Organisation zu ihren Müttern, Schwestern, Ehefrauen und Schwiegertöchtern im KZ Ravensbrück suchen. Beispielhaft porträtieren wir Schicksale, zu denen wir Schreiben des Komitees verwahren.

Von heute auf morgen werden sie aus dem Leben gerissen: Mütter, Geschäftsfrauen, Lehrerinnen – verhaftet und verschleppt in Konzentrationslager Ravensbrück, weil sie Jüdinnen sind, Sozialistinnen, verliebt in den falschen Mann. Auch wenn einigen Angehörigen der Ernst der Lage zunächst nicht bewusst ist, nach Wochen und Monaten ohne Nachricht, machen sie sich Sorgen. In ihrer Not wenden sie sich an an das IKRK. 

Rolle des IKRK in der NS-Zeit

Das IKRK bemüht sich Informationen über den Verbleib und den Gesundheitszustand der verschleppten Frauen zur erhalten und wendet sich mit vorzüglichster Hochachtung ans Deutsche Rote Kreuz (DRK). Die nationalen Rote Kreuz-Gesellschaften sind vor Ort für die Umsetzung humanitärer Maßnahmen zuständig. Und tatsächlich übermittelt das DRK Informationen nach Genf, schließlich bekennt es sich offiziell weiterhin zur Genfer Konvention. Doch das ändert sich bald.

Ausschnitt aus einer Antwort des DRK ans IKRK.

Nachrichten aus England für Hedwig Feinkuchen

Ihrer Mutter Mut machen, wollen die Töchter von Hedwig Feinkuchen und senden via IKRK Nachrichten. „Sorge dich nicht um uns“, schreiben die jüdischen Schwestern aus England. Sie sind mit einem Kindertransport der Deportation in Cottbus entkommen. Nun bangen sie um die Gesundheit ihrer Mutter im KZ Ravensbrück. Sie ist 49 Jahre alt, als sie die Gestapo 1942 in die Tötungsanstalt Bernburg bringt. 

Nachricht der Töchter an Jochebeth Feinkuchen

Bangen um Käthe Leichter in Paris

Es ist ein langes Ringen bis die Familie von Käthe Leichter im März 1940 endlich erfährt, dass sie sich im KZ Ravensbrück „in einem guten Allgemeinzustand“ befindet. Seit ihrer Verurteilung wegen Hochverrats 1938 in Wien fehlte von der Sozialistin und Frauenrechtlerin jede Spur. Das IKRK muss mehrere Nachrichten schreiben, um endlich Auskunft zu erhalten. Käthe Leichter teilt das Schicksal mit Hedwig und Olga: Sie wird in Bernburg ermordet.

Eine brasilianische Postkarte für Alice Lesser

Fast sechs Jahre wird Alice Lesser im KZ Ravensbrück festgehalten – weil sie zu ihrem jüdischen Mann hält. Um durchzuhalten, schreibt sie Gedichte. Sie sind Käthe Leichter gewidmet. Ihre Angehörigen erkundigen sich immer wieder via IKRK nach ihrem Verbleib und Gesundheitszustand und bitten darum, ihr Postkarten aus Brasilien schicken zu dürfen. Dorthin wandert sie schließlich auch aus.