Schnelle, konkrete und unbürokratische Hilfe

Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine

Durch den völkerrechtswidrigen russischen Krieg gegen die Ukraine sind viele Menschen in große Not geraten. 14,6 Millionen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen. 86 Prozent aller russischen Angriffe haben Gesundheitseinrichtungen zum Ziel. Zudem steht das komplette ukrainische Energiesystem unter anhaltendem Beschuss. Seit Monaten gelten im ganzen Land Stromverbrauchsbeschränkungen, im Osten und im Zentrum sind die Menschen bis zu zwölf Stunden ohne Strom (Stand August 2024). Unter den Leidtragenden sind zahlreiche Überlebende der nationalsozialistischen Verfolgung und Nachfahren ehemaliger KZ-Häftlinge. Als Teil des „Hilfsnetzwerks für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine“ helfen die Arolsen Archives diesen Menschen konkret.

„Wenn täglich Luftalarme ertönen und Drohnen und Raketen über unsere Köpfe fliegen, denke ich sofort an das Jahr 1944 zurück“, sagt Peter Bulavinets. Er hat als Kind das Konzentrationslager Ravensbrück überlebt. Im Alter von sieben Jahren hatten ihn die Nazis zusammen mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder deportiert. „Jetzt bin ich 87 Jahre alt und erlebe den Krieg wieder. Die Frontlinie ist zwar weit entfernt, aber jeden Tag gibt es Alarm, Raketen treffen die Stadt. Nach dem Angriff auf unser Stromsystem ist es sehr schwer mit dem Licht und den ständigen Stromausfällen.“

Licht für NS-Überlebende

Peter Bulavinets lebt in der Region Rivne im Westen der Ukraine. Dort steht eines der vier ukrainischen Atomkraftwerke. Diese sind unter anhaltendem Beschuss durch russische Raketen und Drohen. Immer wieder müssen Meiler aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden. Mehrstündige Stromausfälle gehören deshalb zum Alltag der Menschen in der gesamten Ukraine. Das heißt: Kein Licht, kein Internet, keine Nutzung von Haushaltgeräten, keine Aufzüge. Ältere Menschen wie Peter Bulavinets schränkt dies im Alltag nicht nur erheblich ein, es ist zudem eine Gefahr für Leib und Leben. 400 Menschen hat das Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine schnell und unbürokratisch geholfen. Notlampen bringen ihnen jetzt Licht in den dunklen Alltag.

Wir können uns die Zeit und das Land, in dem wir leben, nicht aussuchen, genauso wenig wie die Umstände, die uns umgeben. Was wir tun können, ist, die besten menschlichen Eigenschaften zu zeigen: Menschlichkeit und Mitgefühl.

Peter Bulavinets, KZ-Überlebender

Finanzielle Unterstützung und Sachspenden

Das Netzwerk hat sich im 9. März 2022 auf Initiative des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbI gegründet. Es besteht mittlerweile aus 47 Initiativen, Stiftungen, Erinnerungsorten und Gedenkstätten in Deutschland, die sich mit NS-Verbrechen beschäftigen und teilweise langjährige Kontakte zu Überlebenden der NS-Verfolgung, Fachkolleg*innen und Kooperationspartner*innen vor Ort pflegen. Auch die Arolsen Archives gehören dem Netzwerk an und unterstützen seine Arbeit. Gemeinsam rufen wir zu Spenden auf, um den NS-Überlebenden und ihren Angehörigen zu helfen. Konkret unterstützt das Hilfsnetzwerk mit Geld in kurzfristigen Notlagen und organisiert dringend benötigte Hilfsgüter wie Lebensmitteln, warme Kleidung oder Medikamente.

Ukrainischen Sozialdiensten fehlt Personal

„Ältere Menschen wie Peter Bulavinets können oder wollen das Land nicht verlassen. Der russische Angriffskrieg hat zahlreiche Familien zerrissen, viele Berufstätige in der Sozialarbeit haben das Land verlassen, wodurch NS-Überlebende allein und auf Unterstützung angewiesen sind“, sagt Ragna Vogel, Koordinatorin des Hilfsnetzwerks. „Der Krieg lässt die Preise steigen, die Renten dagegen stagnieren. Die prekäre Lage spitzt sich zu: Kann ich mir das Medikament leisten, oder will ich lieber mal ein Stück Fleisch essen. Das sind die Fragen, die sich viele NS-Überlebende in der Ukraine derzeit stellen.“ So geht es Valentina Ivanovna und Tamara Grigorievna, beide 82 Jahre alt, beide Romni aus der Region Odessa.

Hilfe für Überlebende aus Roma-Familien

Als Kinder haben Valentina und Tamara wie durch ein Wunder die Massenmorde der Nazis an Roma-Familien in der Ukraine überlebt. Valentina war kaum ein Jahr alt und schlief tief und fest, als die Besatzer ihre Eltern in einem Restaurant in der Nähe von Charkiw erschossen. Sie blieb unentdeckt in dem Saal, in dem Vater und Mutter zuvor die Deutschen mit ihren Kunststücken unterhalten hatten. Tamara verlor fünf Geschwister im Ghetto Slobodka, wohin sie mit ihrer Familie deportiert worden war – und entging nur knapp dem Tod im Konzentrationslager Beresiwka. Beim Vorrücken der sowjetischen Truppen hatten die Deutschen begonnen, die Baracken in Brand zu setzen. Die bis dato überlebenden Menschen verbrannten in zwei Baracken. Die dritte, mit Tamaras Familie, blieb verschont, weil keine Zeit mehr blieb.

Aufruf bringt insgesamt bisher 800.000 Euro

Für Menschen wie Tamara, Valentina und Peter hat das Netzwerk bis August 2024 799.800 Euro als Spenden oder Drittmittel erhalten. 5.595 Mal wurde mit dem Geld Überlebenden der NS-Verfolgung finanzielle Soforthilfen gewährt oder Hilfsgüter gespendet. 922 Mal wurden Angehörige und Fachkolleg*innen unterstützt. 163 Menschen erhalten derzeit eine monatliche Patenschaft. Die erste Soforthilfe des Hilfsnetzwerks ging übrigens an die 1943 geborene ukrainische Dichterin Raisa Nabaranchuk, die mittlerweile leider verstorben ist. Mitglieder ihrer Familie gehörten zu den Opfern und Überlebenden von Massenerschießungen von Roma- und jüdischen Familien und in der Schlucht von Babij Jar in der Nähe von Kiew.

Hoher Bedarf an Soforthilfe für vom Krieg bedrohte Menschen

„Die vielen Spenden ermöglichen ein stabiles monatliches Budget, das zur kontinuierlichen Unterstützung von Überlebenden der NS-Verfolgung beiträgt. Trotz des anhaltend hohen Interesses an unserer Arbeit, können wir längst nicht allen Anfragen nachkommen und müssen priorisieren. Der Bedarf übersteigt die finanziellen Kapazitäten des Netzwerks”, so Vogel weiter. Damit künftig noch mehr Menschen geholfen werden kann, bitten die Arolsen Archives darum, das Hilfsnetzwerk großzügig mit einer Spende zu unterstützen.

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