Das Kooperationsprojekt #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen verbindet Forschung, Vermittlung und Erinnerung an den Holocaust auf einzigartige Weise. Seit 2021 recherchieren Historiker*innen weltweit nach Deportationsfotos, die zwischen 1938 und 1945 im Reichsgebiet aufgenommen wurden. Die Fotofunde werden nach und nach im inzwischen mehrfach preisgekrönten digitalen Bildatlas #LastSeen veröffentlicht. Bis 2026 sollen hunderte Bilder aus 60 Orten in Deutschland online zugänglich sein.
Zwischen 1938 und 1945 wurden mehr als 200.000 Menschen aus dem Deutschen Reich deportiert, die meisten von ihnen in die Ghettos und Vernichtungslager im deutsch besetzten Osteuropa. Das Verbundprojekt #LastSeen sammelt, erforscht und veröffentlicht erstmals sämtliche erhaltenen Deportationsfotos. Die Bilder zeigen, wie Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie Menschen mit Behinderungen versammelt, öffentlich gedemütigt und anschließend deportiert wurden – mitten in Städten und Ortschaften, vor den Augen ihrer Nachbarn, die nicht selten mithalfen. Oft sind es die letzten Aufnahmen, bevor die Menschen verschleppt und ermordet wurden.
Digitaler Bildatlas #LastSeen
Der digitale Bildatlas enthält alle bisher recherchierten Deportationsfotos und liefert zu jedem Bild zahlreiche Detailinformationen, z.B.: Wer ist auf den Fotos abgebildet? Welches Schicksal mussten die Verfolgten erleiden? Was ist über den historischen Kontext bekannt? Wer hat fotografiert? Über verschiedene Filter und eine zoombare Karte lässt sich die Sammlung gezielt durchsuchen.
Am Beispiel einer Fotoserie, die eine Deportation aus Brandenburg zeigt, stellt Mirko Drotschmann alias „MrWissen2Go“ das Forschungs- und Vermittlungsprojekt #LastSeen vor. Teil des Projekts ist auch ein interaktives Game, in dem sich Schüler*innen selbst auf Spurensuche begeben.
#LastSeen. Filmdreh mit Mirko Drotschmann in Brandenburg Havel. Quelle: Arolsen Archives
Grimme Online Award
Unter mehr als 1.000 Einreichungen gewann der der Bildatlas #LastSeen 2024 den renommierten Grimme Online Award in der Kategorie „Wissen und Bildung“. Die Jury würdigte die „selten erreichte Unmittelbarkeit“, mit der #LastSeen die Schrecken rassistischer Verfolgungen lebendig werden lasse. Der Bildatlas überzeuge auch durch „seine wissenschaftliche Präzision, den ethischen Umgang mit den historischen Bilddokumenten und die durchdachte Nutzung digitaler Mittel“, so die Jury weiter.
Verleihung des Grimme Online Awards für #LastSeen. Credit: Mareen Meyer
Ethische Überlegungen
Deportationsfotos bilden extrem gewaltvolle Situationen ab: Menschen werden entwürdigt und misshandelt – oft in aller Öffentlichkeit. Dürfen solche Fotos abermals veröffentlicht werden? Und wenn ja, was ist dabei zu bedenken? Welche Verantwortung tragen auch die Betrachter*innen? Mit diesen Fragen hat sich das Team von #LastSeen intensiv auseinandergesetzt.
Welche Idee verfolgt #LastSeen? Was bedeutet es, Deportationsbilder ethisch zu zeigen? Und wie lässt sich das Interesse jüngerer Zielgruppen am besten wecken? Dr. Alina Bothe, Projektleiterin von #LastSeen, im Interview mit der Stiftung EVZ, die das Projekt 2021-23 gefördert hat.