Graphic Novel „Wo ist Lotte?“

Ein Erinnerungsprojekt von arolsen school

Publikation "Wo ist Lotte?"
„Wo ist Lotte?“ Arolsen Archives, Illustration: Hannah Brinkmann

Die Graphic Novel „Wo ist Lotte?“ ist Teil einer neuen Publikation der Arolsen Archives. Sie vereint historische Recherchearbeit, künstlerische Erzählung sowie pädagogische Praxis und zeigt neue Wege, Geschichte für junge Menschen erfahrbar zu machen.

Publikation „Wo ist Lotte?“

Im Mittelpunkt der Publikation steht die Graphic Novel über die Spurensuche nach Lotte Sondheimer. Ergänzt wird sie durch historische Quellen, die den Weg von Gelnhausen über Paris und Gurs bis in die nationalsozialistischen Vernichtungslager nachzeichnen. Ein Grußwort von Aleida Assmann betont die Bedeutung neuer Formen des Erinnerns nach dem Ende der Zeitzeugenschaft. Darüber hinaus kommen die Schüler*innen, die nach Lotte Sondheimer recherchiert haben, die betreuende Lehrkraft Christine Bischoff und die Künstlerin Hannah Brinkmann zu Wort. Ein Leitfaden zeigt, wie sich eigene Erinnerungsprojekte im Unterricht umsetzen lassen.

„Wo ist Lotte?“ Arolsen Archives, Illustration: Hannah Brinkman
Publikation "Wo ist Lotte?"
„Wo ist Lotte?“ Arolsen Archives, Illustration: Hannah Brinkman
„Wo ist Lotte?“ Arolsen Archives, Illustration: Hannah Brinkman

Es ist eine ergreifende Erzählung, die diese Schülerinnen und Schüler für ihre Generation mitgeschaffen haben. Hier verbindet sich Erinnerung mit Anschauung und Wissen und bleibt auf diese Weise lebendig.

Aleida Assmann, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin

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Hintergrund

Ausgehend von einem Brief aus der Sammlung der Arolsen Archives begaben sich Schüler*innen des Grimmelshausen Gymnasiums in Gelnhausen auf die Spuren von Lotte Sondheimer.
Über mehrere Monate forschten sie in Archiven und Bibliotheken, sammelten Hinweise, verglichen Dokumente und stellten Fragen:
Was wissen wir sicher und welche Lücken müssen wir füllen, um Lotte Sondheimers Geschichte erzählen zu können? Gemeinsam mit der Künstlerin Hannah Brinkmann und dem Bildungsteam der Arolsen Archives entwickelten sie daraus ein Storyboard für eine Graphic Novel über Lottes Leben. Die Workshops dazu fanden im Rahmen des EU-Bildungsprojekts „Facts not Fiction“ statt.

Schüler*innen des Grimmelshausen-Gymnasiums
Projekt-AG Grimmelshausen Gymnasium
Foto: Christine Bischoff

Die Arbeit an „Wo ist Lotte?“ machte deutlich, wie eng historische Forschung, künstlerische Gestaltung und kritische Urteilsfähigkeit miteinander verbunden sind. Die Bildungsarbeit von arolsen school soll jungen Menschen Wege eröffnen, Geschichte selbst zu erkunden und zu reflektieren.

Wer war Lotte?

Lotte Sondheimer wurde 1907 in Gelnhausen, Hessen geboren und wuchs dort mit ihren zwei Brüdern auf. Später führte sie ihr Weg nach Offenbach, Dresden, München, Zürich und schließlich Paris. Doch im Mai 1940 holten der Krieg und die Teilbesatzung Frankreichs sie ein, was dramatische Konsequenzen für ihr Leben hatte. Während ihre Familie Gelnhausen Ende 1938 verlassen und in die USA fliehen konnte, blieb Lotte in Europa zurück. Jahrelang suchte ihre Familie vergeblich nach ihr.

Ausschnitt: Fiches étudiantes de l’Institut de Phonétique de l’Université de Paris, service des archives de l’Université Sorbonne Nouvelle, Paris

Es sind die besonderen Stationen des Lebenswegs einer jungen Frau in den 1930er Jahren, die neugierig machen.

Birthe Pater, Leiterin des Education-Teams der Arolsen Archives

Kritische Urteils-fähigkeit & Kreativität

Das Projekt verband selbständiges, historisches Lernen mit ästhetischer Praxis. Dabei setzten sie sich die Schülerinnen und Schüler kritisch mit historischen Methoden auseinander: Was wissen wir sicher? Wo beginnt die Interpretation? Und wie können Lücken fiktiv, aber historisch plausibel, gefüllt werden, um Geschichte erzählbar zu machen?

Diese Auseinandersetzung förderte nicht nur die Kreativität, sondern auch ein differenziertes Wissen über literarisch-künstlerische Gestaltungsfreiheiten und die geschichts-wissenschaftliche Repräsentation der Vergangenheit. Die Jugendlichen lernten Quellen zur NS-Verfolgung kritisch zu prüfen, um etwa die Perspektive der NS-Täter in vermeintlich sachlich-neutralen Berichten zu erkennen. So wird die Fähigkeit gestärkt, Desinformationen zu erkennen und kritisch zu hinterfragen. In Zeiten, in denen verzerrte historische Darstellungen an Einfluss gewinnen, verstehen wir das als eine zentrale Kompetenz.

Neues Lernmodul

Die Publikation bietet zugleich einen Ausblick auf das neue digitale Lernmodul „Die Geschichte hinter den Dingen“ von arolsen school, das 2026 erscheinen wird. Das digitale Bildungsangebot richtet sich an junge Lernende und erzählt die Lebensgeschichten von Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Ausgehend von persönlichen Gegenständen entdecken Jugendliche Spuren vom Leben der einstigen Besitzer*innen und beantworten dazu Fragen. Anschließend gelangen sie zu Graphic Novels, die von Jugendlichen auf Grundlage eigener Recherchen gemeinsam mit Künstler*innen gestaltet wurden.

Bildungsplattform arolsen school

Auf den virtuellen Rückseiten der Comicbilder finden sich die Originalquellen, auf denen die Szenen basieren. Diese Erzählungen machen individuelle Lebensgeschichten sichtbar. Auch persönliche Gegenstände, die an Lotte Sondheimer erinnern und die Graphic Novel „Wo ist Lotte?“ werden Teil des Lernmoduls sein.

Das Lernmodul bietet einen anschaulichen Einstieg in die Dimensionen nationalsozialistischer Verfolgung und in die Arbeit mit historischen Quellen. Die Hinweise und Gegenstände fordern dazu auf, Fragen zu entwickeln, aktiv zu recherchieren und die Fragmente verschiedener Lebensschicksale zusammenzuführen. Das Format verbindet Quellenkritik mit Storytelling und künstlerischer Gestaltung und schafft so eine lebendige Möglichkeit des Erinnerns.

Interview mit Hannah Brinkmann

Im Interview erzählt Hannah Brinkmann vom gemeinsamen Prozess der Entstehung der Graphic Novel.

Künstlerin Hannah Brinkmann
Hannah Brinkmann Foto: Heike Steinweg