Die Suche nach Angehörigen

Freiwillige in verschiedenen Ländern helfen dabei, die letzten Worte zuzustellen

Im Zentrum des Projekts #lostwords steht die Suche nach Angehörigen und Spuren von Menschen, denen in der NS-Zeit durch die Verhängung der Todesstrafe schweres Unrecht angetan wurde. Heute unterstützen uns Freiwillige aus verschiedenen Ländern bei dieser wichtigen Aufgabe. Durch ihre Sprachkenntnisse, ihr Wissen über regionale Archive und lokale Netzwerke tragen sie entscheidend dazu bei, Informationen über die Schicksale an die Familien weiterzugeben und die letzten Worte zu überbringen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung und persönlichen Erinnerung. Wir möchten Ihnen einige Freiwillige vorstellen und was es den Familien bedeutet, wenn sie kontaktiert werden.

Obwohl die Hinrichtungen inzwischen mehr als 80 Jahre zurückliegen, ist die Suche nach Familienmitgliedern der Opfer nach wie vor von großer Bedeutung. Es ist wirklich beeindruckend, wie viele Freiwillige sich für das Projekt engagieren und welche Verbindungen und Hinweise wir binnen so kurzer Zeit bereits herausfinden konnten.

Malgorzata Przybyla, Teamleiterin Tracing, Arolsen Archives

Helena Novotna

Helena Novotna sucht als freiwillige Unterstützerin in Tschechien nach Familien. Ihr eigener Urgroßvater, ein tschechischer Widerstandskämpfer, wurde von den Nationalsozialisten in München-Stadelheim hingerichtet. Seine Abschiedsbriefe wurden zugestellt. Weil sie weiß, wie wichtig diese Briefe für die Nachkommen sind, engagiert sie sich heute für #lostwords.

Zu #lostwords sagt sie: „Wenn ich herausfinden würde, dass es einen letzten Brief meines Urgroßvaters gibt, der nicht zugestellten wurde, würde ich wahrscheinlich sowohl Trauer als auch Freude empfinden. Denn das würde bedeuten, dass ich ihn durch diesen Brief besser kennenlernen und mich ihm näher fühlen könnte. Es fehlt buchstäblich ein Teil der Geschichte derjenigen, die hingerichtet wurden. Ihre Familien verdienen es, diesen Teil zurückzubekommen.“

Zwar können wir nicht im Voraus sagen, wie viele Angehörige noch am Leben sind. Das sollte uns jedoch nicht davon abhalten, zu versuchen, sie zu erreichen. Es spielt keine Rolle, dass seit dem Verfassen der Briefe so viele Jahre vergangen sind. Wichtig ist, dass ihnen endlich Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die in Stadelheim Hingerichteten wollten ein letztes Wort an ihre Familien richten. Es liegt jetzt an uns, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. Das sind wir ihnen schuldig.

Helena Novotna, freiwillige Unterstützerin von #lostwords in Tschechien

Bernd Clasen

Bernd Clasen ist Geschäftsführer der Global Erbenermittlung in Hamburg. Das Unternehmen unterstützt #lostwords pro bono bei der Suche nach Angehörigen. Global hat bereits in der Vergangenheit zu Schicksalen von Kriegstoten im Ersten Weltkrieg geforscht, zuletzt etwa zu Besatzungen von U-Booten, die 2024 entdeckt wurden. Ein Team aus zehn Historikerinnen und Historikern rekonstruierte 42 Schicksale und ermittelte Angehörige der Verstorbenen.

Global Erbenermittlung ist ein international agierendes Unternehmen zur Suche von Erben und beschäftigt viele wissenschaftliche Mitarbeiter. Unsere Historiker beteiligen sich neben ihrer eigentlichen Arbeit mit großem Interesse an Forschungen, um Geschichte aufzuarbeiten und mit der Gegenwart zu verknüpfen. Dabei steht die Aufklärung menschlicher Schicksale im Fokus.

Bernd Clasen, Geschäftsführer der Global Erbenermittlung

Jarosław Kopyto

Jarosław Kopyto ist der Neffe von Mieczysław Kopyto, der am 2. November 1942 in München-Stadelheim hingerichtet wurde. Eine polnische Freiwillige machte Jarosław Kopyto ausfindig. In einer E-Mail an die Arolsen Archives schreibt er:

Herzlichen Dank für Ihre Kontaktaufnahme und die Informationen über meinen Onkel Mieczysław Kopyto. Die Erinnerung an ihn und seinen Tod wird in unserer Familie bis heute gepflegt. Es ist für uns ein großer Trost, dass wir nun die Hoffnung haben, Informationen über die Umstände seines Todes zu erhalten und ein Andenken in Form eines hinterlassenen Briefes zu bekommen. Abschließend möchte ich dem gesamten Team meine höchste Anerkennung für die Forschungsarbeit, das persönliche Engagement und die Freundlichkeit gegenüber den Familien der Opfer aussprechen.“

Jarosław Kopyto, Neffe von Mieczysław Kopyto, der am 2. November 1942 in München-Stadelheim hingerichtet wurde
Eine Frau steht vor einem Mikrofon und spricht.

Die erste Familie erhält das Faksimile eines nie abgeschickten Abschiedsbriefs

Im Rahmen von #lostwords fand am 1. Oktober 2025 in der Stadtbibliothek im polnischen Pępowo die erste Übergabe eines Abschiedsbriefs statt. Die Angehörigen von Józef Jankowiak, der 1943 im Gefängnis Stadelheim in München hingerichtet wurde, erhielten eine originalgetreue Kopie mit seinen letzten Worten.

Zwei Menschen stehen in der Mitte und werden von Kameras gefilmt.

Jetzt mitmachen und an die Opfer der NS-Justiz erinnern

Die Crowdsourcing-Initiative #everynamencounts lädt alle Interessierten dazu ein, einen Beitrag zur Erinnerung an das Unrecht zu leisten, das Menschen während der NS-Zeit durch Gerichte und Justizvollzug erlitten.

Derzeit stehen Dokumente aus dem Deutschen Gefängnis Prag-Pankratz zur Bearbeitung bereit. Diese Quellen berichten von Verfolgung, Repression und willkürlicher Gewalt. Sie geben eindrucksvolle Einblicke in die Schicksale zahlreicher Betroffener.