Genau 80 Jahre nach der Befreiung des Buchenwald-Außenlagers Ohrdruf haben die Arolsen Archives gemeinsam mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie der Weimarer Mal- und Zeichenschule vor Ort der NS-Opfer gedacht. Die Gedenkveranstaltung war den Menschen gewidmet, die an diesem Ort durch die NS-Verfolgung ihr Leben verloren haben, entmenschlicht und entrechtet wurden. Mit dabei waren über 150 engagierte Schüler*innen und Vertreter*innen regionaler Erinnerungsprojekte.
Einsatz für historische Fakten und Demokratie
Eingeladen zur Gedenkveranstaltung waren Angehörige der ehemaligen Häftlinge und der US-Soldaten, die 1945 das befreite Lager besuchten sowie Engagierte, die sich um die Erinnerung an die Verbrechen im KZ Ohrdruf bemühen. Die Veranstaltung fand auf dem ehemaligen Lagergelände statt, heute ein Standortübungsplatz der Bundeswehr.

Die Direktorin der Arolsen Archives, Floriane Azoulay, würdigte in ihrer Eröffnungsrede alle Teilnehmenden, die dafür „sorgen, dass die Stimmen der Opfer gehört werden, in einer Zeit, in der das Erinnern immer mehr in Frage gestellt wird.“ Sie ging auf den besorgniserregenden Anstieg an Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in einer Gesellschaft ein, in der das Vertrauen in Fakten und Wissenschaft zunehmend schwinde. Der Gedenkort Ohrdruf sei deshalb weit über die Grenzen des Landkreises hinaus von Bedeutung.
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, berichtete über die menschenverachtenden Zustände, die die US-Soldaten 1945 auf dem Gelände des KZ Ohrdruf vorfanden. Vor diesem Hintergrund mahnte er zur Verantwortung in Anbetracht der politischen Situation in der Region heute. Die Wahlergebnisse der AfD seien eine Schande, formulierte er klar.

Niemand kann Ohrdruf leugnen
US-Generalkonsul John R. Crosby und Prof. Dr. Rebecca Boehling vom United States Holocaust Memorial Museum gingen auf die Bedeutung der berühmten Foto- und Filmaufnahmen aus Ohrdruf ein. Der spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower hatte sie in Auftrag gegeben, um der Welt die Gräueltaten der Nationalsozialisten vor Augen zu führen und sicherzustellen, dass niemand sie je leugnen kann. Deshalb, so Rebecca Boehling, beginne die Dauerausstellung im United States Holocaust Memorial Museum heute mit genau diesen Zeugnissen.

Vergissmeinnicht wachsen für die Opfer
Die Veranstaltung endete mit der Niederlegung von Kränzen und kleinen Tonskulpturen in Generationentandems aus Jugendlichen und Angehörigen der Opfer. Schüler*innen hatten die Skulpturen zuvor nach Fotos ehemaliger Ohrdruf-Häftlinge geformt und Vergissmeinnicht-Samen darin eingearbeitet. Der ungebrannte Ton wird mit der Witterung verfallen, die Samen keimen und das Gedenkzeichen damit in die Landschaft übergehen.


Gedenken neu denken
Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung fanden im Schloss Ehrenstein verschiedene Workshops statt. Die Schüler*innen konnten sich mit den Angehörigen ehemaliger Häftlinge Pétr Füzi und Bart FM Droog austauschen, mit dem Filmemacher und Angehörigen eines US-Soldaten Matthew Nash sprechen und mit „Suspekt: Landschaft der Verbrechen“ das Gelände des ehemaligen KZ Ohrdruf digital erkunden. Außerdem wurde die Ausstellung „Die Kunst des Erinnerns“ von Dr. Christoph Mauny, Weimarer Mal- und Zeichenschule, gezeigt. Die „neue bauhauskapelle weimar“ spielte Lieder des niederländischen Jazz-Duos „Johnny & Jones“, deren Musiker von den Nationalsozialisten nach Ohrdruf verschleppt und dort ermordet worden waren.

Schüler*innen halten die Erinnerung wach
Der Gedenktag endete mit der Podiumsdiskussion „Gedenken im Wandel – Wie erinnern wir heute?“, die von Birthe Pater, Arolsen Archives, und Holger Obbarius, Gedenkstätte Buchenwald, moderiert wurde. Auf dem Podium schilderten Schüler*innen der Edith-Stein-Schule (Erfurt), des Gymnasiums Gleichense (Ohrdruf), des Gustav-Freytag-Gymnasiums (Gotha), der Emil-Petri-Schule (Arnstadt) und des Grimmelshausen Gymnasiums (Gelnhausen), wie sie sich in regionalen Erinnerungsprojekten gegen das Vergessen einsetzen.
Mich beeindruckt, wie man durch Erinnern eine Person am Leben halten kann.
Felix, engagierter Schüler
Der Schüler Felix sagte: „Mich überrascht, wie nah man einer Person über Recherche kommen kann. Man erzählt nicht nur die Geschichte hinter den Dokumenten, die die Arolsen Archives verwahren, sondern auch, wie man das Schicksal selbst sieht, also auch von sich selbst.“ Die Schülerin Chantal ergänzte: „Mein Engagement hat mir gezeigt, dass man etwas bewirken kann. Nicht nur obwohl ich Schülerin bin, sondern auch vor allem, weil ich Schülerin bin.“





