Über Suchaufrufe im polnischen Fernsehen machen die Arolsen Archives mehrere Familien von NS-Verfolgten ausfindig und geben ihnen persönliche Gegenstände ihrer Angehörigen zurück.

Seit mehr als 30 Jahren bringt Malgorzata Przybyla bei den Arolsen Archives, bis 2019 als International Tracing Service bekannt, Licht in ungeklärte Schicksale aus der NS-Zeit. An der 2016 ins Leben gerufenen Kampagne #StolenMemory wirkt sie von Beginn an mit. Über 300 polnische Familien erhielten seitdem persönliche Gegenstände ihrer Angehörigen zurück, die die Nazis den Häftlingen in den Konzentrationslagern abgenommen hatten. Allein 2024 wurden rund 80 Familien in Polen gefunden. Ein riesiger Erfolg.

Und doch gibt es immer wieder Recherchen, die Malgorzata Przybyla Kopfzerbrechen bereiten:

 

» Einige Fälle scheinen hoffnungslos. Trotz intensiver Suche unseres Tracing-Teams und vieler Freiwilliger gelingt es uns bei manchen Gegenständen einfach nicht, Angehörige zu. «

Malgorzata Przybyla

 

Suchaufrufe über das polnische Fernsehen

Zusammen mit Magdalena Gwóźdź-Pallokat, polnische Korrespondentin der Deutschen Welle, kommt sie auf eine Idee: Warum nicht über das Fernsehen suchen? Solche Suchaufrufe haben beim International Tracing Service eine lange Tradition. Schon ab 1946 leiteten Mitarbeiter*innen ein sogenanntes Mass Tracing ein, wenn Schicksale vermisster Personen nicht geklärt werden konnten. Sie erstellten Listen mit den Namen der Vermissten, die dann in Zeitungen oder Radiosendungen veröffentlicht wurden.     

Der öffentlich-rechtliche polnische Sender TVP lässt sich von der Idee überzeugen. Seit Anfang September 2024 wird in der Nachrichtensendung Teleexpress einmal pro Woche ein Suchaufruf der Arolsen Archives ausgestrahlt – zur Primetime samstags um 17 Uhr. Die Kurzbeiträge stellen Schicksale von NS-Verfolgten vor und zeigen persönliche Gegenstände, die noch von den Arolsen Archives aufbewahrt werden: Schmuckstücke, Ausweise, Briefe, Fotos oder Uhren. Die Sendung erreicht bis zu vier Millionen Zuschauer*innen.

 

Überwältigende Resonanz des Publikums

Von der Resonanz der Suche ist Malgorzata Przybyla überwältigt: „Schon in den ersten Wochen haben sich mehrere Menschen gemeldet, die glauben, mit den porträtierten KZ-Häftlingen verwandt zu sein. Zwei Familien konnten wir inzwischen Gegenstände zurückgeben. Und ich bin zuversichtlich, dass zwei weitere Effekten bald verschickt werden können.“

 

88-Jähriger erhält Armbanduhr seines Onkels zurück

Einer der glücklichen Empfänger ist der 88-jährige Jan Szabrański aus Rydzyń Podlaski nördlich von Lublin. Er erhielt von den Arolsen Archives die Armbanduhr seines Onkels Sylwin Szabrański.

 

Häftlingsfoto von Sylwin Szabrański. (Foto: Archiv des Auschwitz Museums)

 

Der damals 27-jährige Schlosser Sylwin Szabrański wurde 1940 in das KZ Auschwitz eingeliefert, zwei Jahre später in das KZ Neuengamme. Kurz vor Ende des Krieges trieben ihn die Nazis zusammen mit Tausenden Häftlingen auf Schiffe in der Lübecker Bucht. Dort kam er am 3. Mai 1945 ums Leben, als britische Bomber die Schiffe irrtümlich versenkten, weil sie deutsche Truppenverbände an Bord vermuteten.

 

Ausstrahlung noch bis Ende des Jahres

Die Suchaufrufe werden mindestens noch bis Ende des Jahres im polnischen Fernsehen gesendet. Malgorzata Przybyla glaubt fest daran, dass sich weitere Angehörige melden werden. „Wir sind mit unserer Kampagne #StolenMemory online sehr präsent. Aber über das Fernsehen erreichen wir einfach noch einmal ein anderes Publikum. Deshalb bin ich den beiden Sendern TVP und Deutsche Welle sehr dankbar für die Unterstützung.“

Die große Reichweite hat noch einen weiteren Effekt: Zuschauer*innen, die bisher die Arbeit und die Sammlung der Arolsen Archives nicht kannten, erfahren durch die Suchaufrufe, dass sie hier Auskünfte über NS-Verfolgte bekommen können. Denn auch heute noch sind viele Menschen in Polen auf Spurensuche, um Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erhalten.  

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