Faktencheck: Dieses Dokument relativiert nicht den Holocaust!
Immer wieder kursiert in den Sozialen Netzwerken ein Dokument, mit dem Holocaust-Leugner*innen die Zahl der Opfer relativieren. Als Quelle werden auch die Arolsen Archives angegeben. Das Dokument ist echt und stammt vom Sonderstandesamt in Bad Arolsen. Es verzeichnet die auf Antrag ausgestellten Sterbeurkunden für Häftlinge aus Konzentrationslagern wie Dachau, Buchenwald oder Bergen-Belsen. In den Zahlen nicht enthalten sind die Millionen Jüdinnen und Juden, die in Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau ermordet wurden oder bei Massenerschießungen starben.
Der Holocaust ist eines der am besten erforschten historischen Ereignisse. Aktuellen Schätzungen zufolge liegt die Zahl der ermordeten Jüdinnen und Juden bei sechs Millionen Menschen. Das haben intensive wissenschaftliche Untersuchungen seit den 1940er Jahren ergeben. Weder die Arolsen Archives noch das Sonderstandesamt Arolsen sind dafür zuständig diese Zahl zu bestätigen oder zu belegen. Es existiert keine allumfassende Liste derer, die dem nationalsozialistischen Massenmord zum Opfer gefallen sind. Das Dokument mit Datum 16.01.1984, auf das sich Holocaust-Leugner*innen immer wieder berufen, gibt Aufschluss darüber, für wie viele ermordete Insassen von deutschen Konzentrationslagern nachträglich eine Sterbeurkunde ausgestellt werden konnte. Genau dafür ist das Sonderstandesamt der Stadt Bad Arolsen seit 1949 als einzige Behörde zuständig.
Jede Sterbeurkunde eine langwierige Recherchearbeit
Eine Sterbeurkunde wird auf Antrag von Angehörigen ausgestellt und wenn der Tod des Menschen hinreichend dokumentiert ist. Die Arolsen Archives, in denen die Schicksale von rund 17,5 Millionen Menschen dokumentiert sind, unterstützen das Sonderstandesamt dabei, die notwendigen Hinweise zu finden.
Warum so „wenige“ beurkundete Tote?
Nur für einen Bruchteil der von den Nationalsozialisten Ermordeten kann das Sonderstandesamt Sterbeurkunden ausstellen. Für die Bestätigung des Todes von Menschen in Ghettos, für die in den Vernichtungslagern Ermordeten oder die Opfer der Massenerschießungen ist das Amt nicht zuständig. Zudem blieben von einigen Konzentrationslagern kaum Dokumente erhalten. Aus Neuengamme, Auschwitz, Groß-Rosen und Sachsenhausen liegen den Arolsen Archives beispielsweise nur sehr unvollständige Bestände vor.
Millionen namenlose Opfer
Die Nationalsozialisten dokumentierten mit einer beispiellosen Bürokratie die begangenen Verbrechen. Doch die Namen der Jüdinnen und Juden, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden, registrierten sie nicht. In den Tötungsfabriken wurden keine Sterberegister geführt. Vorhandene Dokumente wurden zudem kurz vor der Befreiung vernichtet. Zeug*innenaussagen und Transportlisten geben dennoch Aufschluss über die Dimension der Tötungsmaschinerie.
Die Dimensionen nationalsozialistischer Verbrechen sind gut dokumentiert
Mit dem Dokument über die Beurkundungen des Sonderstandesamtes rücken Holocaust-Leugner*innen richtige Zahlen ins falsche Licht. Auch wenn es nicht das eine zeitgenössische Dokument gibt, aus dem klar hervorgeht, wie viele Menschen die Nationalsozialisten getötet haben, haben sich die Opferzahlen nach rund 70 Jahren intensiver Forschung kaum verändert. Unterschiedliche Quellen belegen, dass der Massenmord an rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden stattgefunden hat: Zeug*innenaussagen, Forschungen zu demographischen Entwicklungen und Archivmaterial. Ab 1941 betrieben die Nationalsozialisten Vernichtungslager mit Gaskammern. Das erste dieser Art errichteten sie im von Deutschen besetzten Kulmhof. Angehörige und Unterstützer des NS-Regimes haben dort und in Belzec, Sobibor, Treblinka, Auschwitz-Birkenau und Lublin Millionen Menschenleben ausgelöscht. Die Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten auch Oppositionelle, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Zeugen Jehovas und andere. Detailliert dokumentiert sind die aktuellsten Erkenntnisse zu Zahlen der Opfer des Holocaust und der NS-Verfolgung hier: Wie viele Menschen wurden von den Nazis ermordet? | Holocaust-Enzyklopädie (ushmm.org). Einblicke in die Dimensionen der Verbrechen, die die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 verübt haben, gibt auch eine Recherche im Online-Archiv der Arolsen Archives. Millionen individuelle Unterlagen zu einzelnen Häftlingen aus den Konzentrationslagern, Ghettos, Gefängnissen und anderen NS-Haftanstalten oder auch Listen zu Deportationen dokumentieren hier die Verfolgungswege der NS-Opfer. (Suche in Dokumenten der Arolsen Archives (arolsen-archives.org)