Wie haben sich jüdische Kinder und Jugendliche in Berlin während der NS-Zeit gefühlt? Wo gingen sie zur Schule? Wie sah angesichts zunehmender antijüdischer Gesetze ihr Alltag aus? Mit „Murmeln der Erinnerung“ auf dem Handy können Interessierte in Berlin auf Spurensuche gehen.

Berlin steckt voller Geschichte und Geschichten. Manche davon sind bekannt und im Stadtbild unübersehbar. Andere sind versteckt – wie das Schicksal vieler jüdischer Kinder und Jugendlicher, die hier in der NS-Zeit lebten und zu überleben versuchten. Fünf multimediale Walking-Touren führen an Orte jüdischen Lebens in Berlin und erzählen die Geschichten von Schüler*innen zur NS-Zeit. Das Bildungsangebot „Murmeln der Erinnerung“ ist in der in der kosten- und werbefreien App berlinHistory abrufbar.

Murmeln sind ein Kinderspielzeug, das die Zeit überdauert hat und symbolisch für Erinnerung steht. Eine der Walking-Touren erzählt die Geschichte von Zvi Aviram. Zvi lebte mit seiner Familie im Prenzlauer Berg, bis seine Eltern 1943 deportiert wurden. Mit Unterstützung von Freunden tauchte der 16-Jährige unter und schloss sich einer Widerstandsgruppe an. Obwohl er mehrmals von den Nazis verhaftet wurde, überlebte er die NS-Zeit. Nach dem Krieg wanderte er nach Palästina aus.

 

 

Bei einer Tour durch den Prenzlauer Berg lernen Nutzer*innen Zvis Lebensgeschichte kennen. Vier weitere Rundgänge führen durch die Stadtteile Mitte, Wilmersdorf und Schöneberg. Sie erzählen von weiteren jüdischen Kindern und Jugendlichen, die in Berlin während der NS-Zeit untertauchten, aus Deutschland weggebracht oder im Holocaust ermordet wurden.

 

Screenshot von Murmeln der Erinnerung in der berlinHistory-App.
Schülerkarte von Zvi Aviram (Heinz Abrahamsohn) aus dem Bestand der Arolsen Archives.

Interaktive Touren

Drei der fünf Touren sind als Wissensquiz angelegt. An jeder Station können Nutzer*innen Fragen zum jüdischen Leben in Berlin oder zu den Lebenswegen der einzelnen Schüler*innen beantworten, bevor sie ihren Rundgang an der nächsten Station fortsetzen.

Die Touren, die es auf Deutsch und Englisch gibt, richten sich an Jugendliche ab 14 Jahren, die mehr über die jüdische Geschichte in Berlin erfahren möchten. Sie sind für Schulgruppen geeignet, aber auch für Erwachsene oder Familien.

 

Geschichte interaktiv erleben

 

»Die Potenziale digitaler Technologien ermöglichen es, die Geschichten von NS-Verfolgten auf der Basis unseres Archivs innovativ und multimedial zu erzählen. Unser Bildungsangebot ‚Murmeln der Erinnerung‘ macht Geschichte und Geschichten an alltäglichen Orten erfahrbar und erlaubt, intuitiv neue Perspektiven mit vorhandenem Wissen über die Verfolgung in der NS-Zeit zu verknüpfen.«

Birthe Pater, Referatsleiterin Education, Arolsen Archives

 

Die interaktiven Funktionen von „Murmeln der Erinnerung“ stärken eine selbstbestimmte Auseinandersetzung sowohl mit dem Holocaust als auch mit der Berliner Stadtgeschichte und der Zerstörung des dortigen jüdischen Lebens.

 

»Wir sind mit dem Internet und Smartphones aufgewachsen – und beziehen so den Großteil unserer Informationen. Direkte Kommunikation durch Social Media ist Teil des alltäglichen Lebens und Lernens. […] So erlebt man Geschichte auf einer direkteren, emotionaleren Ebene.«

Nina Hentschel, Co-Founder & CMO, Fabular.ai

 

Dokumente der Arolsen Archives als Basis

Das Bildungsprojekt basiert auf der Kartei der Reichsvereinigung der Juden, mit der die Gestapo alle deutschen Juden und Jüdinnen registrieren ließ. Die Kartei, die in den Arolsen Archives aufbewahrt wird, enthält einen besonderen Bestand an rund 10.000 sogenannten Schülerkarten, die von der Jüdischen Gemeinde Berlin seit den frühen 1920er-Jahren angefertigt wurden. Die Karten sind oft die letzten Spuren jüdischer Schüler*innen vor der Deportation und Ermordung im Holocaust und damit wichtige Erinnerungsdokumente. Auf der Grundlage dieser Karten gestaltete das Team von Fabular.ai einen Stadtrundgang durch Berlin aus dem Blickwinkel jüdischer Kinder während der NS-Zeit.

 

„Murmeln der Erinnerung“ wurde als Gemeinschaftsprojekt der Arolsen Archives und Fabular.ai – de Araújo, Hentschel & Blonska GbR entwickelt. Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert.

 

Kontakt zum Referat Education
education@arolsen-archives.org

 

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