Rund 2500 Umschläge mit persönlichen Gegenständen warten in unserem Archiv noch auf die Rückgabe an die Familien der Opfer. Weil die Suche vor Ort komplex ist und Landeskenntnisse erfordert – schließlich sind die Angehörigen heute über die ganze Welt verstreut – sind wir auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen. Sie wollen auch mitmachen? Wir haben wertvolle Tipps und Anleitungen zusammengestellt.

Das Wichtigste zuerst: Mitsuchen kann jeder! Sie müssen kein Historiker oder Archivar sein, um nach den Familienangehörigen eines Effekteneigentümers zu suchen. Mit etwas Spürsinn, Durchhaltevermögen und vor allem Interesse für Ihre Landesgeschichte und die Geschichte der NS-Verfolgung können Sie einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an die Verfolgten leisten. Los geht’s!

„Die Recherchearbeit erfordert eine gewisse Hartnäckigkeit, denn es gibt immer Rückschläge oder falsche Fährten. Deshalb empfehle ich, einen großen Suchradius zu wählen und auch unwahrscheinlichen Spuren und Hinweisen nachzugehen.“

Maciej Gaszek, freiwilliger Helfer der Arolsen Archives in Polen

Schritt 1: Um welche Effekte geht es?

Vielleicht sind Sie schon durch eine unserer #Stolen-Memory-Ausstellungen oder durch Medienberichte auf eine bestimmte Effekte aufmerksam geworden, die noch in unserem Archiv liegt und an die Familie des Eigentümers – in der Regel ein ehemaliger KZ-Häftling – zurückgegeben werden soll. Dann haben Sie schon einige Anhaltspunkte über das Schicksal des Verfolgten. In unserem Online-Archiv (siehe Button rechts) können Sie auch die Sammlung der Effekten durchsehen. Dort gibt es Fotos beziehungsweise Scans von allen Gegenständen.

Diese Karte hilft weiter

Wir haben eine georeferenzierte Karte entwickelt, die Hinweise zu den Geburts- und den letzten Wohn- oder Aufenthaltsorten der Effektenbesitzer gibt. Sie enthält circa 1500 Markierungen und außerdem auf einen Blick die Information, ob wir die Familien schon gefunden haben oder noch suchen. Außerdem hilft die Karte dabei, Orte zu lokalisieren, die verschrieben oder umbenannt wurden (mehr Infos dazu unter Schritt 3).

Zur interaktiven Karte

Schritt 2: Verfolgungsweg rekonstruieren

Der wichtigste Schritt Ihrer Suche ist das biografische Arbeiten und die Rekonstruktion von Verfolgungswegen. Wo wurde der Effekteneigentümer geboren, wo lag der letzte Wohnort und wo haben die Nazis ihn / sie festgenommen? In welchen Konzentrationslagern war er / sie inhaftiert? War er / sie später als Displaced Person registriert und ist eventuell ausgewandert? Überprüfen Sie zunächst die Effekte selbst – insbesondere, wenn Schriftstücke oder beschriftete Fotos dabei sind. Vielleicht finden Sie dort schon wertvolle Informationen über Orte oder auch Namen der Verwandten.

Einfache Suche im Internet

Die Arolsen Archives haben mit Dokumenten über 17,5 Millionen Menschen das umfangreichste Archiv über NS-Verfolgte. Ein Großteil der Bestände ist inzwischen online veröffentlicht und für jeden zugänglich: Dies ist der Ausgangspunkt für Ihre weitere Recherche nach dem Verfolgungsweg.

Zum Online-Archiv

Es ist möglich, dass das Rechercheergebnis im Online-Archiv keine oder keine ausreichenden Informationen liefert. Dennoch könnte es bei uns Dokumente geben oder auch mehr Dokumente, als angezeigt werden: Zum einen sind noch nicht alle Bestände online, zum anderen liegen manche Dokumente nur in gescannter Form vor. Dann erfasst die Suchfunktion noch nicht alle Inhalte, wie zum Beispiel bei Namenslisten aus Konzentrationslagern. Sie können deshalb auch zusätzlich zur Online-Suche eine Anfrage zum Eigentümer der Effekten und seiner Familie an die Arolsen Archives stellen.

Schritt 3: Lokalisierung der Orte

Wenn Sie den Verfolgungsweg größtenteils rekonstruiert und wichtige Orte wie Geburts- und Wohnort gefunden haben, müssen diese noch genau lokalisiert werden. Seit 1945 haben sich viele Landesgrenzen verschoben; zahlreiche Städte und Dörfer haben deshalb auch andere Namen erhalten. Erst wenn Sie herausgefunden haben, um welche Orte es sich heute handelt, können Sie die Suche gezielt fortsetzen.

Wir arbeiten daran, unser Online-Archiv mit verbesserten geographischen Informationen auszustatten und dort eine Lokalisierung von Ortsbezeichnungen bereitzustellen. Bis wir das ermöglicht haben, führen Sie am besten eine einfache Internet-Recherche zu den Ortsnamen in Kombination mit den möglichen Ländern durch. In der Regel erhalten Sie so schon gute Ergebnisse. Unsere freiwilligen Helfer haben festgestellt, dass Wikipedia schon umfassende Listen zu den deutschen Bezeichnungen für Orte in den verschiedenen Teilen Europas bereitstellt. Hier eine Auswahl:

Schritt 4: Die Suche vor Ort

Sie haben die wichtigsten biografischen Eckdaten herausgefunden und den Geburts- oder letztbekannten Wohnort lokalisiert? Dann kann die Suche vor Ort beginnen! Maciej Gaszek hilft uns seit Jahren als Freiwilliger in Polen und hat dort schon viele Angehörige gefunden. Er geht so vor:

„Ich nehme immer den Ort, an dem die gesuchte Person gelebt hat, als Ausgangspunkt meiner Recherche. Nachforschungen zur Ortsgeschichte und Gespräche mit Menschen, die heute dort wohnen, sind der Schlüssel zum Schicksal der Opfer. Bei den Gesprächen sollten wir immer transparent kommunizieren und die Ziele der Suche klar darlegen: Wir suchen Angehörige, um ihnen persönliche Gegenstände eines Familienmitglieds wiederzugeben, das von den Nationalsozialisten verfolgt wurde.“

Suchen Sie sich Partner und Anlaufstellen, die Sie beim Aufspüren der Familien unterstützen können:

  • Örtliche Archive, Museen, Kirchenarchive
  • Erinnerungsinitiativen, Geschichtsvereine, Verbände der ehemaligen Häftlinge
  • Lokale Behörden: Bürgeramt, Gemeinderat, Dorfvorsteher, Polizei
  • Lokale / Nationale Rote-Kreuz-Gesellschaften

Wenn ihr Schüler*in seid: Nehmt Kontakt zu einer Schule vor Ort auf, um die Suche gemeinsam durchzuführen. Ihr bekommt dort sicher wertvolle Tipps und Unterstützung für eure Recherchen.

Schritt 5: Effektenübergabe

Wenn Sie Angehörige gefunden haben und direkt Kontakt aufnehmen wollen, ist zu beachten, dass die Menschen unter Umständen noch nie etwas von ihrem verfolgten Angehörigen gehört haben. Denken Sie daran, dass Ihre Kontaktaufnahme nach über 75 Jahren plötzlich „aus dem Nichts“ kommt. Gehen Sie entsprechend behutsam vor und machen Sie sich auf sehr emotionale Reaktionen gefasst. Es kommt auch vor, dass die Familien lieber nichts von dieser Geschichte hören oder die Effekte nicht haben wollen. Das ist aber wirklich selten – die meisten Angehörigen sind beeindruckt, haben vielleicht schon selber recherchiert und möchten sich deshalb intensiv über das Schicksal ihres Verwandten austauschen. Nehmen Sie sich Zeit dafür!

Die Übergabe von Effekten ist für die meisten Angehörigen ein sehr emotionaler Moment.

Kontaktieren Sie die Arolsen Archives, um die Übergabe zu organisieren. Unsere Mitarbeiter können auch Kontakt zu den Familienmitgliedern aufnehmen, wenn Sie das nicht selbst machen möchten. In der Regel verschicken wir die Gegenstände per Post an die Angehörigen. Manchmal wollen die Familien die Effekten sogar selbst in Bad Arolsen abholen, um vor Ort noch mehr über das Schicksal ihres Verwandten zu erfahren.

In Absprache mit den Familien ist es auch möglich, dass die Freiwilligen die Gegenstände zurückgeben. Das ist für beide Seiten ein sehr schöner Abschluss. Eine Jugendgruppe der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz hat schon mehrfach erfolgreich gesucht und dann die Familien bei der Rückgabe kennengelernt: „All unsere Arbeit und unsere Bemühungen bei der Suche wurden mit der Freude von Frau Mazur belohnt. Wir sind absolut überzeugt, dass wir uns weiterhin am Projekt #StolenMemory beteiligen wollen.“

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