Französisch, Niederländisch, Deutsch – auf drei Sprachen tourt die #StolenMemory Ausstellung ab Mai 2022 in einem Überseecontainer durch Belgien. Die #StolenMemory-Website und das Bildungsmaterial gibt es nun ebenfalls in den beiden neuen Sprachen.

Am 8. Mai 2022, dem Tag der Befreiung, startete der vierte #StolenMemory-Container seine Tour durch Belgien. Mit Gilles Heyvaert, dem belgischen Vorsitzenden des Internationalen Ausschusses, der die Arbeit der Arolsen Archives begleitet, haben wir über die Bedeutung der Wanderausstellung in seinem Heimatland gesprochen.

 

Von Bad Arolsen nach Brüssel

Warum unterstützt das belgische Außenministerium das Projekt #StolenMemory?

Die Unterstützung des belgischen Außenministeriums für das Projekt #StolenMemory ist Teil unserer Rolle als Vorsitz der Arolsen Archives. Als neu ernannter Vorsitzender des Internationalen Ausschusses habe ich im Oktober 2021 Bad Arolsen besucht. Eine Sache zog besonders meine Aufmerksamkeit auf sich: eine Reihe von Plakaten vor dem Haupteingang, die auf die Ausstellung #StolenMemory hinweisen. Die nüchtern gehaltene Präsentation von kurzen, persönlichen Geschichten und Biografien von NS-Verfolgten und die Fotos ihrer persönlichen Gegenstände, die sie zurücklassen mussten, haben mich tief bewegt.

 

#StolenMemory Ausstellung in Bad Arolsen

 

Frau Wilmès, die derzeitige belgische Außenministerin, beschloss, den Container mit der Ausstellung und die Übersetzung der Materialien in unsere Landessprachen Französisch und Niederländisch zu finanzieren.   

 

»Die Namen, Gesichter und Bilder sowie die persönlichen Gegenstände, die in den Arolsen Archives aufbewahrt werden, bilden eine Art Brücke zwischen der Vergangenheit und den Menschen von heute. Sie machen Geschichte zu einer lebendigen Sache.« 

Gilles Heyvaert, Vorsitzender des Internationalen Ausschusses

 

Die Erinnerung an die NS-Verfolgung wachhalten

Was ist so wichtig an #StolenMemory? Was hoffen Sie, dass dieses Projekt in Belgien erreichen kann?

Fast 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind die meisten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bereits verstorben. Es ist von größter Wichtigkeit, Wege zu finden, ihr Zeugnis aufrechtzuerhalten und das Bewusstsein weiter zu schärfen, insbesondere bei der jüngeren Generation.

Dafür gibt es viele Möglichkeiten, natürlich durch Bildung, Gedenkfeiern, Museen und Dokumentarfilme, aber nur eine Sache kann direkt in unsere Herzen und Köpfe gelangen: Eine Verbindung herzustellen zwischen dem Bild und der Person, die es betrachtet. Und tatsächlich ist #StolenMemory eine Erfolgsgeschichte, da es bisher etwa 600 Familien ermöglicht hat, brutal zerbrochene Familienbeziehungen durch die Rückgabe von Familiendokumenten wiederherzustellen. 

 

Die Taschenuhr von Edmond Ameye
Interview mit Yves Stappers

#Gefunden: Die Familie von Edmond Ameye

Im Interview mit dem Belgier Yves Stappers erfahren wir, wie sein Großvater Edmond Ameye als Mitglied des Widerstandes 1944 von der Gestapo gefangen genommen und in die Konzentrationslager Neuengamme und Bergen-Belsen deportiert wurde. Durch #StolenMemory erhielten Edmonds Angehörige seine Taschenuhr wieder.

 

Welche Rolle spielt Belgien im Hinblick auf eine Holocaust-Erinnerungskultur?

Als europäisches Land, das vom Zweiten Weltkrieg und seinem beispiellosen Ausmaß an Schrecken und Verfolgung betroffen war, hat Belgien die historische Pflicht, sich an die Opfer des Holocaust zu erinnern und sie zu ehren. Um die Erinnerung an die Vergangenheit von Generation zu Generation weiterzugeben, müssen die Themen Holocaust und Völkermord in die Lehrpläne der Schulen aufgenommen werden. Die Kombination von Gedenken und Bildung sind Schlüsselelemente im Kampf gegen das Vergessen sowie die Verharmlosung und die Verzerrung der Fakten. Belgien engagiert sich sehr, Bildung in diesem Bereich zu fördern, alle Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stoppen und die Forschung zum Holocaust zu stärken.

Manchmal braucht es jedoch Zeit, um Helden zu identifizieren und ihre mutigen Taten zurückzuverfolgen. 2021 hat das Brüsseler Regionalparlament beschlossen, drei junge Männer offiziell zu ehren und ihnen eine Statue in der Hauptstadt zu errichten. Youra Livchitz, Robert Maistriau und Jean Franklemon hatten am 19. April 1943 den Zug, der das Durchgangslager Kaserne Dossin in Richtung Auschwitz-Birkenau mit verließ, gestoppt.  Dank ihres Eingreifens konnten viele Juden und Jüdinnen vom 20. Deportationszug nach Auschwitz dem Tod entkommen.

 

Statue zum Gedenken an den Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz (Foto: WO2 / Wikimedia Commons)

 

Was sind die Besonderheiten der belgischen Erinnerungskultur? Wo kann #StolenMemory seinen Platz darin einnehmen?

Die belgische Erinnerungskultur ruht auf drei Säulen:

  • Museen und Gedenkstätte, wie die Kaserne Dossin und das Fort Breendonk, zwei symbolische Orte der NS-Verfolgung und die Verlegung von Gedenktafeln und Gedenksteinen vor den Häusern deportierter jüdischer Familien
  • Vermittlung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts aus einer unverzerrten Perspektive
  • Förderung der historischen, wissenschaftlichen und archivarischen Forschung.

Idealerweise sollte #StolenMemory in möglichst vielen Städten Belgiens gezeigt werden, um die Aufmerksamkeit vieler Bürgerinnen und Bürger zu erregen. Mehr als zehn Städte haben bereits ihre Bereitschaft deutlich gemacht, die Ausstellung aufzunehmen.  

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