Was erzählen Akten über den Holocaust? Das Bundesarchiv hat Ende August 2016 als Partner im transnationalen Projekt EHRI ein zehntägiges Archivseminar über Methoden zur Auswertung deutschsprachiger Dokumente mit Holocaustbezug veranstaltet. ITS-Mitarbeiter Akim Jah hielt dabei einen Vortrag über die Archivbestände des ITS mit besonderem Blick auf Dokumente über die Deportationen der Juden aus dem Deutschen Reich.

Holocaustbezogene Dokumente standen im Mittelpunkt des Seminars „Aktenkunde des Holocausts“, zu dem das Bundesarchiv an seinem Standort Berlin-Lichterfelde eingeladen hatte. Die Veranstaltung richtete sich an internationale Historiker, Archiv- und Gedenkstättenmitarbeiter, insbesondere aus Mittel- und Mittelosteuropa, die selbst mit Dokumenten aus der NS-Zeit arbeiten. Um tiefere Einblicke in die Strukturen der NS-Behörden und das Verwaltungshandeln zu vermitteln, hielten Experten des Bundesarchivs Vorträge, unter anderem zur Deutschen Verwaltungsgeschichte, aber auch zu Themen wie der Strafverfolgung von NS-Verbrechen. Ziel war es, Dokumente aus ihrem Entstehungszusammenhang heraus zu verstehen und daraus Erkenntnisse über Entscheidungsstrukturen zu gewinnen. Viel Zeit war für praktische Übungen zur themenrelevanten Quellenkunde eingeplant. Die zwölf Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, bei der Analyse und Interpretation mit Dokumentenkopien, zum Vergleich teilweise auch mit den Originalen zu arbeiten. Hinzu kamen Hintergrundvorträge und Quellenkunde im Rahmen von Exkursionen, zum Beispiel zum Jüdischen Museum Berlin und dem Haus der Wannseekonferenz.

Akim Jah, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Forschung und Bildung, stellte den International Tracing Service (ITS) mit seinen historischen und aktuellen Aufgaben vor. Die Teilnehmenden zeigten Interesse daran, mehr über das Archiv sowie dessen Bestandsgeschichte und den Zugang zu den Dokumenten zu erfahren. Der Historiker informierte zudem über einen seiner Forschungsschwerpunkte, die Deportation der Juden aus dem Deutschen Reich. Anhand von Dokumenten aus dem Archiv des ITS sowie aus anderen Archiven erläuterte er die Zuständigkeiten bei der Organisation der Transporte. Als Beispiel für die Quellenarbeit mit Deportationslisten zeigte er Kopien der Namenslisten des sogenannten 90. „Alterstransports“ von Berlin in das Ghetto Theresienstadt vom 28. Mai 1943. Ausgehend von einem Überlebenden dieses Transports gab er Einblicke in die verschiedenen Dokumententypen aus der Zeit nach 1945, die aus der Arbeit der Alliierten und des ITS hervorgegangen sind.

Das Seminar war Teil des EHRI-Programms, das die europäische Infrastruktur zur Erforschung des Holocausts verbessern möchte, indem der Zugang zu holocaustrelevantem Archivmaterial erleichtert, die Quellenkenntnis verbreitet und innovative, interdisziplinäre und transnationale Forschung angeregt wird. Auch vor diesem Hintergrund zeigte sich Tobias Herrmann vom Bundesarchiv als einer der Organisatoren sehr zufrieden den Ergebnissen. "Die Teilnehmer aus zehn verschiedenen Ländern haben das vielfältige Programm mit Offenheit und Engagement angenommen und ihrerseits Spezialkenntnisse zur Geschichte des Holocaust aus ihren Regionen eingebracht. Sie werden mit ihrer erweiterten Kenntnis über deutsche Quellen und deren Auswertungsmöglichkeiten als Multiplikatoren in ihren Heimatländern wirken und so die Intentionen des EHRI-Projekts optimal umsetzen können."

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