„Erst nachdem mein Vater Hendrik pensioniert war, hat er angefangen über seine Inhaftierung in Deutschland zu berichten. Von da an hat er sehr viel darüber gesprochen.“ Als Aart Quak im November 2017 mit seinem Sohn Dick zum International Tracing Service (ITS) fuhr, hatte er verschiedene Dokumente und Fotos dabei. Ein handgeschriebenes Buch, in das sein 1999 verstorbener Vater die furchtbaren Erlebnisse von KZ-Haft und Sklavenarbeit als eine Art Therapie notiert hatte. Auch Zeitungsartikel, die in der DDR nach seinem Besuch einer Gedenkveranstaltung in Buchenwald 1966 erschienen waren. Aber eine Frage beschäftigte Aart Quak und seine Familie: Weshalb war der Vater verhaftet worden? Von ihrer Reise zum ITS erhofften sie sich endlich Klarheit.

Tatsächlich fanden sich im Archiv die Informationen, die sie suchten: Hendrik Quak war am 15. April 1944 durch die Sicherheitspolizei Den Haag festgenommen worden. Vom Polizeilichen Durchgangslager Amersfoort aus wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Auch über den Grund der Inhaftierung geben die Dokumente Auskunft: „Politisch, Aktion Rückfluter“. Der gelernte Anstreicher war von den Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit verpflichtet worden und hatte dies verweigert oder war geflohen. Dafür steht „Aktion Rückfluter“. Aart Quak war froh, diese Auskunft zu bekommen: „Es ist mehr, als wir erwartet haben. Und es ist gut, die Originale mit der Unterschrift meines Vaters zu sehen. Das ist sehr emotional.“

Die Opposition gegen die Nazis hatte schwerwiegende Folgen. Zunächst kam der Niederländer für sechs Wochen in das Hauptlager Buchenwald, von dort aus in das Außenlager Tröglitz. Nach der Bombardierung des dortigen NS-Musterbetriebs Braunkohle-Benzin AG (Brabag) im Mai 1944, sollte unter Einsatz von KZ-Häftlingen der schnelle Wiederaufbau erreicht werden. Wie hart die Arbeit und wie entsetzlich die Bedingungen dort waren, zeigen die Zahlen über die Toten von Tröglitz: Innerhalb von sieben Monaten starben mindestens 5.871 Häftlinge des improvisierten Lagers. Oft schon nach vier Wochen wurden die völlig entkräfteten Männer durch neue Häftlinge aus Buchenwald ersetzt. Hendrik Quak blieb über sechs Monate dort.

Das letzte Dokument beim ITS über sein Schicksal gibt Auskunft über die Entlassung aus Buchenwald am 13. November 1944 zum Arbeitsamt Weimar. Was harmlos klingt, bedeutete jedoch nur eine Fortsetzung der Torturen. In dem Artikel aus der „Volkswacht“ von 1966 heißt es: „Er glaubte der Hölle Buchenwald entronnen zu sein, doch die Zwangsarbeit im Reimagh-Werk unterschied sich davon in nichts.“ Quak musste in den Stollen des unterirdischen Rüstungswerks bei Kahla arbeiten. Doch im Januar 1945 gelang ihm die Flucht in den Nachbarort Orlamünde. Er hatte großes Glück. Obwohl sie das Risiko für die eigene Familie kannte, half ihm eine Witwe mit zwei kleinen Töchtern. Sie gab ihm Nahrung und ein Versteck, so dass er wieder zu Kräften kommen konnte. Mit dem Fahrrad ihres gefallenen Mannes machte er sich im März 1945 auf den Weg zurück nach Maassluis – immerhin knapp 700 Kilometer in den Wirren der letzten Kriegswochen. 1966 traf er seine Retterin wieder, als er an den Gedenkfeiern zum Tag der Opfer des Faschismus teilnahm.

„Mein Vater sagte immer, dass er zwei Leben gehabt habe: Eines vor der Inhaftierung und eines danach“, erinnert sich Aart Quak. Auch er hat nach seiner Pensionierung nun mehr Zeit, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Zusammen mit seinem Sohn will er jetzt die teils schwer lesbaren Aufzeichnungen von Hendrik Quak abtippen und so für spätere Generationen bewahren.

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