Mit 95 Jahren starb Jules Schelvis, der das Vernichtungslager Sobibór überlebte und sich unermüdlich für das Gedenken an die in Sobibór ermordeten Menschen engagierte.

„Ich bin seit langem bereit zu vergeben, aber vergessen, das kann ich nicht“, sagte Jules Schelvis im Jahr 2012 bei einer Gedenkveranstaltungen in der Synagoge in Vöhl. Sie fand zu Ehren der mehr als 500 nach Sobibór und Majdanek deportierten Juden aus dem Regierungsbezirk Kassel statt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des International Tracing Service (ITS) war der Niederländer seit seinem Besuch in Bad Arolsen im Februar 2004 besonders im Gedächtnis geblieben. Nach einer Führung durch das Archiv hatte er einen Vortrag gehalten. Seine Worte haben die ITS-Mitarbeiterin Ute Reuter nachdrücklich beeindruckt. „Er war nicht voller Hass, er wollte, dass die Menschen verstehen lernen.“ Dieses erste Zusammentreffen mit einem Überlebenden der Shoah ist bis heute für die in der Indizierung von Dokumenten tätigen Ute Reuter eine Motivation in ihrer Arbeit.

Im Mai 1943 waren Jules Schelvis und seine Frau sowie Rachels Familie durch die deutsche Polizei festgenommen und über das Durchgangslager Westerbork nach Sobibór deportiert worden. Er wurde zu einem von 81 männlichen Arbeitshäftlingen in seinem Transport, die nicht direkt am Tag der Ankunft in den Gaskammern ermordet wurden. Doch war er am Ende der einzige Überlebende dieses Transports. Jules Schelvis durchlitt nach Sobibór noch zehn Konzentrationslager, darunter Dorohucza, Lublin, Radom und Auschwitz bevor er in einem Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler Struthof durch französische Truppen befreit wurde.

Seine Erlebnisse hat Jules Schelvis mit Zeugenaussagen ergänzt und 1998 in dem Buch „Vernichtungslager Sobibór“ veröffentlicht. 1999 gründete er die „Stiftung Sobibor“, die die Erinnerung an mehr als 33.000 Opfer aus den Niederlanden aufrechterhalten soll. Anfang April starb er im Alter von 95 Jahren. Ute Reuter erinnert sich noch, dass sie bei seinem Besuch zunächst unsicher und befangen war, ihm als Deutsche gegenüberzustehen. Doch diese Angst erwies sich als unbegründet. „Ich habe von ihm gelernt, dass man mit Menschen unbefangener umgehen und die Geschichte mehr hinterfragen muss. Ich bin dankbar, auch für meinen Beruf und mein weiteres Leben, dass ich diesen wunderbaren Mensch kennenlernen durfte.“

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