Eine Brieftasche mit Fotos, ein Armband und die Häftlingsmarke aus dem Durchgangslager Royallieu bei Compiègne mit der Nummer 38870: Das sind die persönlichen Gegenstände ihres Vaters Victor, die er bei seiner Deportation durch die Nationalsozialisten 1944 abgeben musste. Jacqueline Debusschere hat diese Erinnerungsstücke im April 2018 vom International Tracing Service (ITS) ausgehändigt bekommen.

Der französische Widerstandkämpfer Victor Debusschere war knapp über 30 Jahre alt, als die Nazis ihn verhafteten und nach Compiègne deportierten. Das genaue Datum ist nicht bekannt. Von dort aus kam er am 7. Juni 1944 mit einem Transport in das Konzentrationslager Neuengamme, genau gesagt, in das Außenlager Watenstedt/Leinde. Dort waren männliche Häftlinge untergebracht, die in den Stahlwerken Braunschweig härteste Zwangsarbeit leisten mussten. Die SS begann am 7. April 1945 mit der Räumung des Lagers. In völlig überfüllten, zum Teil offenen Güterwaggons brachten sie die Häftlinge in tagelangen Irrfahrten in das KZ Ravensbrück. Viele starben. Victor Debusschere überlebte die Torturen und konnte nach Hause zurückkehren, jedoch mit dauerhaften körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen, wie seine Tochter in einem Brief an den ITS schrieb.

Jacqueline Debusschere war völlig überrascht, als Irma Bousquet von der Häftlingsvereinigung „Amicale de Neuengamme et de ses Kommandos“ sie kontaktierte. Sie kannte bis dahin weder die Häftlingsvereinigung noch den ITS. Es berührte sie sehr, dass es Orte des Gedenkens gibt, an denen auch an ihren 1985 gestorbenen Vater als NS-Verfolgten erinnert wird. Irma Bousquet ist eine der vielen Freiwilligen, die den ITS bei der Suche nach Angehörigen im Rahmen des Projekts #StolenMemory unterstützen. So kann der ITS noch mehr der persönlichen Gegenstände von KZ-Häftlingen zurückgeben, die im Archiv aufbewahrt werden, bis die rechtmäßigen Besitzer gefunden werden.

Auf diese Weise auch mehr über den Verfolgungsweg ihres Vaters zu erfahren, bewegte Jacqueline Debusschere. Sie schrieb an den ITS: „Mein Vater konnte nicht über die Zeit seiner Internierung reden, vor allem was seine Deportation betrifft. Ich versuchte nicht, ihn danach zu fragen. Ich hatte auch Angst vor dem, was er mir hätte erzählen können. Das Wenige, was ich bereits wusste, war schon schrecklich genug.“ Der unerwartete Kontakt mit der Vergangenheit war für sie mit vielen Emotionen verbunden. Vor allem aber mit Freude über diese unvorhersehbare Rückgabe: „Sie leisten eine wunderbare Arbeit. Ich danke Ihnen für Ihre Aktion und für die Zusendung der Effekten meines Vaters.“

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