Immer wieder kursiert in den Sozialen Netzwerken ein Dokument, mit dem Holocaust-Leugner die Zahl der Opfer relativieren. Als Quelle werden auch die Arolsen Archives angegeben. Das Dokument ist echt und stammt vom Sonderstandesamt in Bad Arolsen. Es verzeichnet die auf Antrag ausgestellten Sterbeurkunden für Häftlinge aus Konzentrationslagern wie Dachau, Buchenwald oder Bergen-Belsen. In den Zahlen nicht enthalten sind die Millionen Jüdinnen und Juden, die in Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau ermordet wurden oder bei Massenerschießungen starben.

 

Der Holocaust ist eines der am besten erforschten historischen Ereignisse. Die Wissenschaft ist sich einig über die Zahl der ermordeten Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit. Sie liegt bei sechs Millionen Menschen. Weder die Arolsen Archives noch das Sonderstandesamt Arolsen sind dafür zuständig diese Zahl zu bestätigen oder zu belegen. Das Dokument mit Datum 16.01.1984, auf das sich Holocaust-Leugner immer wieder berufen, gibt Aufschluss darüber, für wie viele ermordete Insassen von deutschen Konzentrationslagern nachträglich eine Sterbeurkunde ausgestellt werden konnte. Genau dafür ist das Sonderstandesamt der Stadt Bad Arolsen seit 1949 als einzige Behörde zuständig.

 

Jede Sterbeurkunde eine langwierige Recherchearbeit

Eine Sterbeurkunde wird auf Antrag von Angehörigen ausgestellt und wenn der Tod des Menschen hinreichend dokumentiert ist. Die Arolsen Archives, in denen die Schicksale von rund 17,5 Millionen Menschen dokumentiert sind, unterstützen das Sonderstandesamt dabei, die notwendigen Hinweise zu finden.

 

Beispiel für einen Sterberegistereintrag

Beispiel für einen Sterberegistereintrag eines verstorbenen KZ-Häftlings. Wenn personifizierte Unterlagen wie diese vorliegen, kann das Sonderstandesamt eine Sterbeurkunde für die Angehörigen ausstellen.

Mehrere hunderttausend Sterbefälle konnte das Sonderstandesamt in akribischer Recherchearbeit so bisher beurkunden. Bis heute treten Angehörige an das Amt heran. Es werden weiterhin Sterbeurkunden ausgestellt. Jährlich kommen bis zu 1.000 neue hinzu. Die ausgestellten Sterbeurkunden bis 1986 können öffentlich eingesehen werden.

 

Warum so „wenige“ beurkundete Tote?

Nur für einen Bruchteil der von den Nationalsozialisten Ermordeten kann das Sonderstandesamt Sterbeurkunden ausstellen. Für die Bestätigung des Todes von Menschen in Ghettos, für die in den Vernichtungslagern Ermordeten oder die Opfer der Massenerschießungen ist das Amt nicht zuständig. Zudem blieben von einigen Konzentrationslagern kaum Dokumente erhalten. Aus Neuengamme, Auschwitz, Groß-Rosen und Sachsenhausen liegen den Arolsen Archives beispielsweise nur sehr unvollständige Bestände vor.

 

Millionen namenlose Opfer

Die Nationalsozialisten dokumentierten mit einer beispiellosen Bürokratie die begangenen Verbrechen. Doch die Namen der Jüdinnen und Juden, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden, registrierten sie nicht. In den Tötungsfabriken wurden keine Sterberegister geführt. Vorhandene Dokumente wurden zudem kurz vor der Befreiung vernichtet. Zeugenaussagen und Transportlisten geben dennoch Aufschluss über die Dimension der Tötungsmaschinerie.

 

Aussage von Rudolf Höß

Aussage von Rudolf Höß, Kommandant des KZ Auschwitz. Sie bezeugt die systematische Vernichtung im KZ Kulmhof. Höß wurde später mit der Ermordung der ungarischen Jüdinnen und Juden beauftragt. Dabei wurden über 400.000 Menschen in Zügen nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Die meisten von ihnen starben zwischen Mai und Juli 1944 direkt nach der Ankunft in den Gaskammern. Erhalten sind lediglich einige Transportlisten.

 

Forschung hat keine Zweifel an sechs Millionen

Mit dem Dokument über die Beurkundungen des Sonderstandesamtes rücken Holocaust-Leugner richtige Zahlen ins falsche Licht. Auch wenn es nicht das eine zeitgenössische Dokument gibt, aus dem klar hervorgeht, wie viele Menschen die Nationalsozialisten getötet haben, sind die Opferzahlen nach rund 70 Jahren intensiver Forschung eindeutig. Dass der Massenmord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden stattgefunden hat, belegen unterschiedliche Quellen einstimmig: Zeugenaussagen, Forschungen zu demographischen Entwicklungen und Archivmaterial. Ab 1941 betrieben die Nationalsozialisten Vernichtungslager mit Gaskammern. Das erste im polnischen Chełmno. Fern der Augen und Ohren der Menschen im Deutschen Reich wurden dort und später in Belzec, Sobibor, Treblinka, Auschwitz-Birkenau und Lublin Millionen Menschenleben ausgelöscht. Die Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten auch Oppositionelle, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Zeugen Jehovas und andere. Detailliert dokumentiert sind die aktuellsten Erkenntnisse zu Zahlen der Opfer des Holocaust und der NS-Verfolgung hier: Wie viele Menschen wurden von den Nazis ermordet? | Holocaust-Enzyklopädie (ushmm.org). Einblicke in die Dimensionen der Verbrechen, die die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 verübt haben, gibt auch eine Recherche im Online-Archiv der Arolsen Archives. Millionen individuelle Unterlagen zu einzelnen Häftlingen aus den Konzentrationslagern, Ghettos, Gefängnissen und anderen NS-Haftanstalten oder auch Listen zu Deportationen dokumentieren hier die Verfolgungswege der NS-Opfer. (Suche in Dokumenten der Arolsen Archives (arolsen-archives.org)

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