Floriane Azoulay fordert sofortige Entfernung aller antisemitischen Werke der documenta 15

Ein Kommentar von Floriane Azoulay zum neu angefachten antisemitischen Eklat auf der documenta 15. Die Direktorin der Arolsen Archives fordert die sofortige Entfernung antisemitischer Werke aus der Kunstschau und eine gründliche Aufarbeitung.

Auf der documenta fifteen sind erneut judenfeindliche Darstellungen aufgetaucht – im Fridericianum, einem der Hauptausstellungsorte. Es handelt sich um eine Broschüre, die übelste antisemitische Karikaturen enthält und im Kontext zum Emanzipationskampf algerischer Frauen steht, dem ein Raum gewidmet ist.

Die Werke illustrieren das klassische antisemitische Portfolio von der Kindermordlegende bis zur Hakennase – stereotype und judenfeindliche Verschwörungsideologien, die seit Jahrhunderten Juden dämonisieren und ihre Verfolgung bis hin zum Holocaust rechtfertigten. Diese klar erkennbaren antisemitischen Motive wurden zudem auf den jüdischen Staat übertragen. Das ist eine verbreitete heutige Form von Antisemitismus, bei dem die stereotypen Darstellungen auf Israel gerichtet werden und dem Staat auf diese Weise seine Legitimität abgesprochen wird.

 

Ermöglichung und Verharmlosung antisemitischer Bildsprache

Und wieder zeigt sich niemand in der Leitungsebene der documenta dafür verantwortlich. Niemand will erkennen, dass es hier um einen tiefen strukturellen Skandal von Ermöglichung, Normalisierung, Verharmlosung und sogar von Verteidigung antisemitischer Bildsprache und Positionen geht. Und dass es Auswirkungen auf die Sicherheit jüdischen Lebens hat.

 

»Nicht nur wurden die Warnungen, Sorgen und Hinweise von Betroffenen und Experten ignoriert – die documenta Verantwortlichen kannten die antisemitische Broschüre. Nach einer ›Überprüfung‹ kam sie zurück in die Ausstellung.«

Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives

 

Es ist grotesk, wie sich nach der unter öffentlichem Druck zurückgetretenen Sabine Schormann nun auch der neue documenta-Chef Alexander Farenholtz davor verschließt, offensichtlichen Antisemitismus zu erkennen. Obwohl seit Monaten immer mehr Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinden sowie weitere Sachverständige warnen und eine seriöse Überprüfung verlangen.

Hochproblematische Werke sind bis heute zu sehen

Und schlimmer noch: Nicht nur wurden die Warnungen, Sorgen und Hinweise von Betroffenen und Experten ignoriert – die documenta Verantwortlichen kannten die antisemitische Broschüre. Nach einer „Überprüfung“ kam sie zurück in die Ausstellung. Zudem sind bis heute weiter hochproblematische Werke zu sehen – darunter ein terrorverherrlichender Propagandafilm über ein Attentat in Tel Aviv, der immer noch im Programm laufen soll. Bei Antisemitismus und Hass endet Kunstfreiheit.

Es ist höchste Zeit alle problematischen Kunstwerke aus der documenta zu entfernen und mit Hilfe von externen Sachverständigen und Betroffenen einer seriösen Überprüfung zu unterziehen – bei der wir als Arolsen Archives auch gerne helfen. Wichtig ist, dass eine umfangreiche Aufarbeitung der Arbeit der documenta auf Basis der vom Bund und Land Hessen bereits übernommenen Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) stattfindet. Damit die documenta eine Zukunft hat.

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