Unter dem Hashtag #BoycottQatar2022 rufen Fußballfans und Menschenrechtler*innen zum Boykott der Fußballweltmeisterschaft 2022 auf. Die Initiative fordert eine klare Stellungnahme des Deutschen Fußballbunds gegen die Korruption, die Menschenrechtsverletzungen und schließlich auch die fehlende Fußballkultur des Austragungslandes. 

Mit Bernd Beyer, einem der Initiatoren von #BoycottQatar2022, haben wir über Katar gesprochen und darüber, warum der Protest gegen diese Fußball-WM gerade jetzt eine breite Unterstützung braucht.

 

Was hat Sie bewegt, Boycott Qatar ins Leben zu rufen? Was sind Ihre Ziele?

Zunächst waren es die Berichte über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigrant*innen in Katar und dann haben wir uns intensiv mit der politischen und gesellschaftlichen Situation des Landes befasst. Wir kamen zu dem Schluss, dass es von der FIFA absolut falsch war, die WM in dieses Land zu vergeben.

Unser Ziel ist es, dass künftig bei der Vergabe des Turniers Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsstandards durch das Gastgeberland eingehalten werden müssen. Das gilt vor allem im Bereich Fußball, wo ja leider schon lange vieles falsch läuft. Wenn unser Protest zusätzlich der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen hilft, würde uns das freuen.

 

Copyright: BoycottQatar
Copyright: BoycottQatar

Der Boykott-Aufruf

#BoycottQatar2022 – unter diesem Hashtag kritisieren Fußballfans und Vereine Menschenrechtsverletzungen im WM-Austragungsland, die unwürdigen Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant*innen, die fehlende Fußballkultur in Katar und die Kommerzialisierung des Sports. Die Initiator*innen fordern vom Deutschen Fußballbund ein klares Zeichen gegen die WM in Katar und rufen dazu auf, die Spiele nicht zu schauen und keine Produkte mit WM-Logo zu kaufen.

 

Wie können wir eine langfristige Verbesserung der WM-Vergabe sicherstellen?

Das kann nur durch Druck der Landesverbände, wie dem DFB innerhalb der FIFA, erreicht werden. Dabei müssen die Kriterien für die Vergabe verändert werden und der Vergabeprozess transparent gestaltet werden. Externe Gruppen, NGOs und internationale Gewerkschaften sollten den Prozess begleiten.

 

Was sagen Sie Menschen, die argumentieren: Für mich gehört Politik nicht in den Fußball?

Das ist nicht zu trennen! Bezüglich der Fußballweltmeisterschaft verfolgt natürlich jedes Gastgeberland eine politische Agenda. Deutschland tat dies 2006 auch und wird es bei der EM 2024 wieder machen. Wenn diese Agenda die Werte des Sports in sich trägt (Fairness in umfassendem Sinn, was Gültigkeit der Menschenrechte voraussetzt) ist dagegen nichts einzuwenden. Wenn die Gastgeber-Agenda diese Werte verletzt und Missstände im Land übertünchen soll, ist dies zu kritisieren, sonst machen wir uns zum Teil der Inszenierung und tragen sie mit.

 

Warum ist es diese WM in Katar, die Ihrer Meinung nach boykottiert werden muss? Warum sollten nicht schon die letzte oder vorletzte Fußball-WM boykottiert werden?

Boykott ist eine sehr intensive Protestform, die sollte nur angestrebt werden sollte, nur dann, wenn, wie bei Katar, viele rote Linien überschritten werden. Auch bei der Weltmeisterschaft in Russland sind wir aus heutiger Sicht der Meinung, dass ein Boykott hätte erwogen werden müssen. Ob dabei auch eine starke Bewegung entstanden wäre, ist eine andere Frage. In Südafrika (2010) und Brasilien (2014) gab es im Kontext der WM soziale Verwerfungen und Proteste im Land, die auch von deutschen Gruppen aufgegriffen und unterstützt wurden.

 

»Wichtig ist, dass die Fans sich mit der Situation in Katar und der Politik der FIFA auseinandersetzen und sagen: Dieser Fußball ist nicht unser Fußball!«

Bernd Beyer, #BoycottQatar

 

Zahlreiche Organisationen bestätigen, dass die große öffentliche Diskussion um die Menschenrechte in Katar zu einer Verbesserung beispielsweise für Gastarbeiter*innen geführt hat. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?

Es hat bei den Arbeitsbedingungen einige formale und für einen kleinen Teil der Arbeiter*innen auch tatsächliche Verbesserungen gegeben, doch die große Zahl der Arbeitsmigrant*innen unterliegt immer noch unzumutbaren Bedingungen. Proteste gegen diese Bedingungen werden gewaltsam zerschlagen. Gewerkschaften von Arbeitsmigrant*innen sind verboten. Amnesty International und Human Rights Watch schätzen die Lage gerade in den letzten zwölf Monaten wieder sehr viel schlechter ein.

 

Haben Sie Hoffnung, dass die möglichen Verbesserungen langfristig erhalten bleiben, auch wenn nach der WM die Öffentlichkeit nicht mehr nach Katar blickt?

Es ist zu befürchten, dass einiges zurückgenommen wird. Andererseits bemüht sich Katar weiterhin, große sportliche Veranstaltungen wie die Olympischen Spiele 2032 auszutragen und weiß, dass das Land dabei wieder ins Licht der internationalen Öffentlichkeit rücken würde. Die Fußballweltmeisterschaft ist nur ein Teil der Sportwashing-Strategie Katars, mit der die Regierung des Landes das Image aufpolieren will. Große Sportveranstaltungen sollen von dem undemokratischen Regime, den Menschenrechtsverletzungen und dem religiösen Fundamentalismus im Land ablenken.

 

Die Einnahmen der Unternehmen, die diese Weltmeisterschaft sponsern und Produkte mit dem WM-Logo verkaufen, sollten sinken, sagt Bernd Beyer von #BoycottQatar2022.

 

Wieso ist es wichtig, dass Fußballfans hier in Deutschland die WM boykottieren? Was verändert sich dadurch?

Wichtig ist, dass die Fans sich mit der Situation in Katar und der Politik der FIFA auseinandersetzen und sagen: »Wir entziehen uns einem Spektakel, welches Qatar reinwaschen und der FIFA vor allem Geld bringen soll. Dieser Fußball ist nicht unser Fußball!«

Wir können nicht gegen alle Entwicklungen protestieren, die den Profifußball schädigen, aber ab und zu müssen Zeichen gesetzt werden. Konkret soll der FIFA und ihren Sponsoren durch diese Ablehnung klargemacht werden, dass es sich nicht auszahlt, Turniere in Länder wie Katar zu vergeben. Dafür müssen nicht nur die Einschaltquoten sinken, sondern auch die Einnahmen der Unternehmen, die diese Weltmeisterschaft sponsern und Produkte mit dem WM-Logo verkaufen. Wenn Werbepartner merken, dass sie durch die Weltmeisterschaft keine finanziellen Gewinne machen, werden sie Druck auf die FIFA ausüben. Wer zwar vorher kritisiert und dann doch alles guckt – möglicherweise in Feierlaune beim Public Viewing – bewirkt gar nichts!

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