Er trägt denselben Namen wie sein Onkel, den die Nationalsozialisten 1944 ins Konzentrationslager gesperrt hatten. Jetzt konnte Marcel Uytdenhoef die persönlichen Gegenstände abholen, die seinem Onkel bei der Inhaftierung abgenommen worden waren. „Wir hatten keine Ahnung, dass es diese Effekten gab“, sagte der Belgier, der am 27. September 2016 mit vier weiteren Familienangehörigen zum International Tracing Service (ITS) nach Bad Arolsen kam.

Sein Onkel Marcel Uytdenhoef hatte sich dem Widerstand im von der Wehrmacht besetzten Belgien angeschlossen. „Er war wütend gewesen über den Tod seines Bruders“, erzählt der Neffe. „Mein Vater war 1940 beim ersten Bombenangriff der Deutschen getötet worden. Ich war damals sieben Monate und meine Schwester zwei Jahre alt.“ Der ältere Marcel kam nach der Besetzung seines Landes zunächst in Kriegsgefangenschaft, durfte dann aber wieder heimkehren. „Er schloss sich sofort dem Widerstand an.“ Doch es gab einen Verräter und dies führte zur Verhaftung durch die Deutschen.

Laut den Unterlagen im Archiv des ITS wurde Marcel Uytdenhoef im Oktober 1944 ins Polizeiliche Durchgangslager Amersfoort eingewiesen und von dort ins KZ Neuengamme deportiert. Kurze Zeit später erfolgte die Verlegung ins KZ Ravensbrück, wo der Belgier durch die Sowjetarmee befreit wurde. „Er wog noch 48 kg und war in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand, mehr tot als lebendig“, berichtet die Familie. Sobald die Kraft ausreichte, habe er sich zu Fuß nach Hause geschleppt. „Das letzte Stück brachte ihn das Rote Kreuz. Aber es dauerte Monate, bevor er wieder zu einem Menschen wurde.“ Die Freude im Dorf sei groß gewesen nach der Rückkehr. „Aber meinem Onkel war nicht nach einer Feier“, erinnert sich sein Neffe. „Er sagte, er habe zu viele Menschen sterben sehen und müsste dann womöglich die Hand des Verräters schütteln, der ihn den Deutschen ausgeliefert hatte.“

Zu den Effekten, die die Familie jetzt zurückbekam, gehören ein Siegelring sowie eine Brieftasche mit Papieren und Fotos. Die Aufnahmen zeigen Marcel Uytdenhoef als kleinen Jungen zusammen mit seinem Bruder, der im Bombenhagel das Leben verlor. „Wir haben keine Fotos, auf denen die beiden Brüder so jung sind“, freut sich die Familie. Auf einem anderen Bild kickt Marcel als junger Mann auf dem Fußballplatz. „Vor dem Krieg war er ein lebenslustiger und kreativer Mann. Er malte und spielte gerne Fußball. Aber nach dem Krieg war das alles vorbei“, erinnert sich sein Neffe. Zwar startete der durch die KZ-Haft Gezeichnete beruflich noch einmal durch, arbeitete wie vor dem Krieg im Hafen von Antwerpen und wurde gar Direktor einer Transportfirma, dennoch starb er früh im Alter von nur 54 Jahren. „Er blieb innerlich verbittert und hat auch nie geheiratet.“

Zwischen dem gleichnamigen Neffen und Patenonkel hatte sich dennoch ein besonderes Verhältnis entwickelt. Für den jüngeren Marcel, der seinen Vater so früh verlor, war sein Onkel ein wenig der Ersatzvater. Die Reise nach Bad Arolsen habe ihn Überwindung gekostet: „Ich hatte gemischte Gefühle. Da war die Sorge, dass die Angst und die Erinnerungen zurückkehren. Daher fiel mir die Entscheidung nicht leicht.“ Nach einer Beratung innerhalb der Familie beschlossen alle Beteiligten, die Reise in die Vergangenheit gemeinsam anzutreten. „Und jetzt bin ich doch dankbar, dass ich hier bin“, sagt Marcel Uytdenhoef. „Uns bedeuten die Sachen sehr viel. Sie haben einen enormen ideellen Wert. Der ITS hat sie gut aufbewahrt und unsere Familie wird es auch tun.“

Online-Portal zu Effekten

Der ITS verwahrt in seinem Archiv noch circa 3.200 Effekten, vorwiegend aus den Konzentrationslagern Neuengamme und Dachau. Im Oktober 2015 hat der ITS Fotos sämtlicher in seinem Archiv bewahrten Effekten in einem weltweit zugänglichen Online-Portal veröffentlicht.

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