Wie jüdische Überlebende nach der Befreiung ihr Leben gestalteten, dokumentiert eine neue Publikation der Schriftenreihe „Forschung Positionen Dokumente“ zur Unternehmensgeschichte von Volkswagen. In Kooperation mit dem International Tracing Service (ITS) entstand der Essay- und Dokumentenband „Nachkriegswege nach Volkswagen. Jüdische Überlebende zwischen Befreiung und neuer Identität“, der am 20. August im Centrum Judaicum vorgestellt wurde.

Moshe Shen, Julie Nicholsen, Sara Frenkel und Sally Perel waren während der Shoah für einige Zeit im Volkswagenwerk, sei es als jüdische Zwangsarbeiter oder geschützt durch eine falsche Identität. Ihre persönlichen Erinnerungen und Lebenswege hat die Publikation „Überleben in Angst. Vier Juden berichten über ihre Zeit im Volkswagenwerk in den Jahren 1943 bis 1945“ bereits 2005 vorgestellt. Nun widmet die Historische Kommunikation der Volkswagen AG diesen vier Holocaust-Überlebenden ein weiteres Buch, das den Blick vor allem auf die Jahre nach 1945 richtet. Im Zentrum stehen zukunftsprägende Entscheidungen der vier Menschen, die sie nach den Jahren der Verfolgung und der Befreiung wieder selbstbestimmt eine eigene Identität entwickeln ließen. Die Möglichkeit, die Lebenswege anhand von Dokumenten nachzeichnen zu können, bot die Zusammenarbeit mit dem International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen. Im Archiv des ITS befinden sich unter anderem Dokumente über verschleppte Personen, die nach dem Krieg von den internationalen Hilfsorganisationen wie UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) und der IRO (International Refugee Organization) betreut wurden. Zudem wurden ausgewählte Dokumente aus der Zeit der Verfolgung aufgenommen, die bei Erscheinen des 2005 erschienenen Bandes mit Erinnerungsberichten der Forschung noch nicht zugänglich waren.

Begleitende Essays

Die dokumentarischen Spuren werden durch drei Essays mit Blick auf ausgewählte Facetten der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte Deutschlands ergänzt. Dr. Manfred Grieger, Historiker und Leiter der Historischen Kommunikation bei Volkswagen, beschäftigt sich mit dem verwaltungstechnischen Umgang und den allgegenwärtigen Listen im Nationalsozialismus und dem Überleben in der Nachkriegszeit. René Bienert, Mitarbeiter in der Forschung und Bildung des ITS, berichtet über die Selbstdefinitionen der Überlebenden im Spiegel der Registrierungsunterlagen als Displaced Persons. Dr. Susanne Urban, Leiterin der Forschung und Bildung beim ITS, legt dar, welche Handlungsoptionen und Entscheidungen während und nach der Shoah den Lebensweg bestimmten. Die Historikerin hatte bereits für das erste Erinnerungsbuch die Interviews mit den vier Überlebenden geführt. Die Autoren und Herausgeber bedauern sehr, dass Moshe Shen und Julie Nicholsen das Erscheinen dieses zweiten Buches nicht mehr erlebt haben, das auch Material für Bildungsarbeit bereitstellt.

Die Volkswagen AG und der ITS sehen sich gemeinsam der Erinnerung an die Schicksale der jüdischen Überlebenden verpflichtet und möchten zugleich verdeutlichen, dass diese Menschen, die zu Opfern gemacht wurden, immer auch handelnde Subjekte waren. Die Volkswagen AG befasst sich seit vielen Jahren mit der Geschichte des Unternehmens im Nationalsozialismus und begrüßt die Zusammenarbeit mit dem ITS auch mit Blick auf die nun zur Verfügung stehenden Dokumente.

Das Buch ist ab sofort erhältlich:

René Bienert, Manfred Grieger, Susanne Urban
Nachkriegswege nach Volkswagen. Jüdische Überlebende zwischen Befreiung und neuer Identität.
Band 5 der Schriftenreihe „Forschung Positionen Dokumente. Schriften zur Unternehmensgeschichte von Volkswagen“
ISBN 978-3-935112-24-6
155 S., Pb., € 19,90
Die Publikation steht auch zum Download zur Verfügung unter:
www.volkswagenag.com/content/de/the_group/history/publications.html

Die Publikation von 2005 ist 2014 in 4. Auflage erschienen:
Manfred Grieger/Ulrike Gutzmann (Hg.)
Überleben in Angst. Vier Juden berichten über ihre Zeit im Volkswagenwerk in den Jahren 1943 bis 1945.
4. Auflage, Wolfsburg 2014

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