„Jetzt komme ich dazu“
Ein Ordner mit Briefen, Fotos und Familienurkunden hat Franziska Gerstmeir motiviert, das Schicksal der Familie ihres verstorbenen Mannes, Gad Klein, aufzuarbeiten. Seine jüdischen Großeltern sowie drei Tanten und ein Onkel wurden ermordet beziehungsweise starben in Konzentrationslagern. Zwei Kinder der Eheleute Klein retteten sich in die Freiheit.
„Das Interesse meines Mannes an seinen Vorfahren wuchs, als er krank wurde“, so Gerstmeir. „Jetzt komme ich dazu, den Spuren weiter nachzugehen, damit so bald wie möglich Stolpersteine‘ zum Andenken an seine Familie verlegt werden können.“
Josef Mendel Klein lebte mit Liebi und den Kindern Dorothea, Theodor und Karl in Zwickau. Er besaß eine Verkaufsstelle der Mitteldeutschen Fahrradwerke, Liebi handelte mit Rohprodukten. Beide Firmen waren dem Wohnhaus angegliedert; die Adresse lautete Mühlgrabenweg 21, später Adolf-Hitler-Ring 165. Im Januar 1942 wurde die Familie gezwungen ihr Zuhause als sogenanntes Judenhaus einzurichten. Wann genau sie das Anwesen zu einem erzwungen geringen Preis von einigen hundert Reichsmark an die Nazis verkaufen mussten, ist nicht bekannt. „Viele Informationen gibt es nicht“, erzählt Gerstmeir. „Mein Schwiegervater, Theodor Klein, war ein stiller und ruhiger Mensch, der nach den Erzählungen meines Mannes nicht an der Vergangenheit gerührt hat. Aufschluss geben nur die Briefe sowie Recherchen bei Gedenkstätten und dem ITS.“
1934 heiratete Theodor Klein in Prag seine Verlobte Frieda Kohn aus Dresden, deren Eltern und drei Schwestern 1938 nach der sogenannten „Polenaktion“ ins ukrainische Lemberg flüchteten und dort schließlich ermordet wurden. Theodor Klein wanderte mit Frieda bereits Ende 1934 über Prag nach Palästina aus. Er erhielt regelmäßig Briefe von den Eltern und Geschwistern. Die Briefe aus der Zeit von 1933 bis 1935 geben Auskunft über die Situationen, Wünsche, Hoffnungen und Bedenken der Familie. Offene Fragen bleiben „Warum nur zwei der Kinder und nicht die ganze Familie den Weg in die Freiheit suchten, lässt sich noch nicht erklären – es bedeutete für sie den Tod.“ Die Dokumente im Archiv des ITS bestätigten nun, dass Josef Mendel am 17. November 1943 im Konzentrationslager Buchenwald starb. Liebi wurde nach Ravensbrück deportiert und fiel wie ihr Ehemann den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen zum Opfer.
„Um Stolpersteine verlegen zu können, brauche ich die genauen Daten der Familie. Ich habe angefangen zu recherchieren – dabei führten alle Wege zum ITS“, so Franziska Gerstmeir. „Es ist gut, dass ich hier war und die Dokumente gesehen habe. Ich bin ein gutes Stück vorangekommen.“
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