„Johnny & Jones“: Die Nationalsozialisten verschleppten Jazz-Duo in KZ

Als junge Männer gründeten die Freunde und Großcousins Max Kannewasser und Arnold van Wesel das Jazz-Duo „Johnny & Jones“. Arnold als „Johnny“ und Max als „Jones“ begeisterten das Publikum in ihrem Herkunftsland, den Niederlanden. Doch als die deutsche Wehrmacht die Niederlande im Mai 1940 besetzte, durften „Johnny & Jones“ nicht mehr auftreten und wurden als politische Juden verfolgt.

Am 24. September 1916 kam Max Salomon Meijer Kannewasser in Amsterdam auf die Welt. Sein Großcousin Arnold Siméon van Wesel, auch Nol genannt, wurde knapp zwei Jahre später, am 3. August 1918, ebenfalls in Amsterdam geboren. Als junge Männer arbeiteten sie beide im Amsterdamer Kaufhaus De Bijenkorf. Arnold arbeitete in der Buchhaltung und Max verkaufte Küchengeräte.

Das Kaufhaus De Bijenkorf um 1939 (Quelle: Wikimedia Commons; Stadsarchief Amsterdam)

 

Der Beginn einer großen Musik-Karriere

Das Kaufhaus war auch der Ort, an dem Max und Arnold ihre ersten gemeinsamen musikalischen Schritte wagten. 1934 traten sie in einem Quartett namens „Bijko Rhythm Stompers“ bei einem Betriebsfest des Kaufhauses auf. Zwei Jahre später kündigten sie ihre Jobs, um sich voll und ganz der Musik zu widmen. Sie gründeten das Jazz-Duo „Johnny & Jones“. Arnold alias Johnny spielte Gitarre, während Max alias Jones die englischen und niederländischen Songtexte sang. Der mutige Schritt hin zu ihrem Lebenstraum sollte sich auszahlen. Schnell begeisterten „Johnny & Jones“ ihr Publikum. Theaterbühnen rissen sich um die begehrten Musiker – die damals Anfang 20-Jährigen waren zwei der ersten niederländischen Teenie-Idole. So sangen sie auch bei Highschool-Tanzveranstaltungen und 1939 sogar in der Halbzeitshow eines Fußballländerspiels zwischen Holland und Belgien. Ihre Lieder zeichneten sich durch eine Mischung aus Scat, Jazz und niederländischer Musik aus und liefen im niederländischen Radiosender VARA rauf und runter.

 

Wiederveröffentlichung der klassischen “Johnny & Jones”-Songs im Jahre 1980. Aufgenommen im November 1938 und im Zeitraum Januar 1939 bis März 1940. (Quelle: Collection Jewish Museum, Amsterdam, Inventarsnummer 20001144)

 

Doch als im Frühjahr 1940 die deutsche Wehrmacht die Niederlande besetzte, nahm der Traum der Musikkarriere ein schnelles Ende. Weil „Johnny & Jones“ nach der antisemitischen Gesetzgebung als Juden galten, durften sie fortan nur noch vor jüdischem Publikum und ein Jahr später, 1941, überhaupt nicht mehr auftreten.

 

 

Selbst im Konzentrationslager spielten Max und Arnold ihre Musik

Zusammen mit ihren Ehefrauen Gerda (geb.) Lindenstaedt, die 1939 aus Deutschland nach Holland geflohen war und Suzanne (geb.) Koster lebten sie eine Zeit lang versteckt in einem jüdischen Pflegeheim. Manchmal spielten sie auch dort ihre Lieder für die Angestellten und Patient*innen des Pflegeheims. Als die Nazis eine Razzia in dem Pflegeheim durchführten, flog auch das Versteck der beiden Ehepaare auf. Am 9. Oktober 1943 inhaftierten die Nazis Arnold, Max, Gerda und Suzanne im Durchgangslager Westerbork. Hier mussten Max und Arnold als Zwangsarbeiter abgeschossene Flugzeuge auseinandernehmen.

 

Ein Bild von Max und Arnold während ihrer Zwangsarbeit im Lager Westerbork, gemalt von Leo Kok, Februar 1944. (Quelle: Collection Jewish Museum, Amsterdam)

 

Für diese Arbeiten konnten sie das Lager unter Aufsicht manchmal verlassen. Bei einem dieser Zwangsarbeitseinsätze durften sie in Amsterdam einige Lieder aufnehmen. Denn auch im Lager musizierten „Johnny & Jones“. Das Verhältnis des NS-Regimes zur Jazz-Musik war ambivalent: Einerseits galt Jazz als „entartete Kunst“, andererseits wurde er gebilligt, wo die Nationalsozialisten einen Nutzen in ihm sahen.

So organisierte der Lagerkommandant von Westerbork, Albert Konrad Gemmeker, Kabarett-Events an Abenden nach Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager, um die verbliebenen Häftlinge abzulenken. Bei diesen Shows traten auch „Johnny & Jones“ auf, die hierbei jedoch meistens auf Deutsch singen mussten. Eines der heute bekanntesten Lieder von „Johnny & Jones“ entstand im Lager: die „Westerbork Serenade“. Darin singen Max und Arnold, als Liebeslied getarnt, über das Leben im Lager. Eine Zeile des Liedes lautet: „Langs het spoorwegbaantje schijnt het zilveren maantje“, was auf Deutsch übersetzt bedeutet: „Entlang den Eisenbahnschienen scheint der silberne Mond“.

 

Max Ehefrau Suzanne überlebte als einzige den Holocaust

Rund elf Monate wurden Max und Arnold in Westerbork festgehalten, bis die Nazis sie im September 1944 von dort erst in das Ghetto Theresienstadt und anschließend in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportierten. Im Dezember 1944 verschleppten die Nazis die beiden Männer weiter ins thüringische Ohrdruf, wo sich ein Außenlager des KZ Buchenwald befand. Von dort wurden sie am 13. März 1945 schließlich in das Konzentrationslager Bergen-Belsen überstellt. Arnold verstarb mit gerade mal 26 Jahren am 15. April 1945, dem Tag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen. Auch Max überlebte die KZ-Haft nicht. Er war bereits im März 1945 mit 28 Jahren im Lager gestorben. Arnolds Ehefrau Gerda kam in Auschwitz ums Leben. Nur Max Ehefrau Suzanne überlebte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

Veränderungsmeldung des Konzentrationslagers Buchenwald (01.01.1945-15.01.1945), mit Nennung von Max Kannewasser (Foto: Arolsen Archives)
Karteikarte aus der Kartothek des Judenrats in Amsterdam mit Angaben zu Arnold Siméon van Wesel und seinem Verfolgungsschicksal (Foto: Arolsen Archives)

Dokumente im Archiv der Arolsen Archives

Die Arolsen Archives bewahren Dokumente zu Arnold Siméon van Wesel und Max Salomon Meijer Kannewasser auf. Einige davon sind im Online-Archiv einsehbar.

 

Quellen:

Beek, Pauk: Johnny & Jones. In: Music and the Holocaust. https://holocaustmusic.ort.org/places/camps/western-europe/westerbork/johnny-jones/

dirkdeklein: Johnny & Jones-Jazz musicians, killed because they were Jewish. In: History of Sorts. https://dirkdeklein.net/2018/04/26/johnny-jones-jazz-musicians-killed-because-they-were-jewish/ 26. April 2018.

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