Schon 1933 fiel Karl Schwesig den politischen „Säuberungsaktionen“ der SS zum Opfer: Er war KPD-Mitglied, gehörte linken Künstlervereinigungen an und gewährte Verfolgten Unterschlupf. Karl kam mehrmals in Haft und wurde auch schwer gefoltert. Seine Malerei geriet 1937 ins Visier der Nationalsozialisten, die Karls Werke als „entartet“ beschlagnahmten und zerstörten. Insbesondere die frühen Verhaftungen und Misshandlungen hielt er in eindrücklichen Grafiken und Erzählungen fest.

Karl Schwesig wurde am 19. Juni 1898 in Gelsenkirchen in eine Arbeiterfamilie geboren. Als Folge einer Rachitis in der Kindheit wurde er nur 1,39 Meter groß. Dieser Kleinwuchs und sein schlechter Gesundheitszustand bewahrten ihn im Ersten Weltkrieg vor dem Tod: Er wurde nicht an die Front geschickt und konnte 1918, nach dreijähriger Büro-Dienstzeit, sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Düsseldorf beginnen. Nach zwei Jahren verließ Karl die Akademie, ohne das Studium zu beenden, und schloss sich einer populären avantgardistischen Künstlergruppe an: „Das Junge Rheinland“ vereinte junge, politisch engagierte Kunst- und Kulturschaffende und ermöglichte Karl erste Ausstellungen.

 

Karl Schwesig, „Gasse in Marseille“ (1931) (Foto: Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf).
Karl Schwesig, „Arbeiterkneipe“ (1923) (Foto: Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf).

Politische Kunst

In der Zeit mit „Das Junge Rheinland“ erschuf Karl nicht nur ausdrucksvolle Avantgarde-Gemälde. Zusammen mit anderen Künstlern der Gruppe gab er auch eine politisch-satirische Zeitschrift heraus. Karl trat in die KPD ein und war 1930 Mitgründer der Düsseldorfer Ortsgruppe der „Asso“, einer Vereinigung kommunistischer Künstler.

 

Misshandelt und gedemütigt

1933 lösten die Nazi-Behörden „Das Junge Rheinland“ auf und bezeichneten die Gruppe als die „Mutter der entarteten Kunst“. Viele Mitglieder erhielten ein Beschäftigungsverbot. Manche arrangierten sich auch mit der neuen Regierung und wurden anerkannte Künstler. Karl jedoch verteilte Flugblätter, half anderen Verfolgten, indem er ihnen Unterschlupf gewährte und geriet wegen seiner offen vorgetragenen politischen Haltung schnell unter Druck. Schon im Juli 1933 wurde er das erste Mal verhaftet und monatelang festgehalten. Die SA misshandelte ihn im „Schlegelkeller“, einem Düsseldorfer Foltergefängnis, um Namen seiner Mitstreiter im Widerstand herauszufinden – und um ihn als „Intellektuellen“ zu demütigen.

 

»Drei größere Gemälde (…) wurden als staatsgefährliche Trophäen aus meinem Atelier in den Schlegelkeller geschleppt. Vor die Bilder wurden nun sämtliche Gefangenen und SA-Leute versammelt und mussten zusehen, was man heute mit dem Maler solcher Bilder macht.«

Karl Schwesig, „Schlegelbericht“ (1935/36)

 

Exil in Belgien

Anhand von Karls Inhaftierungs-Dokumenten bei den Arolsen Archives lässt sich nachvollziehen, dass er ab August 1933 offiziell mit dem Vorwurf „Hochverrat“ in einem Gerichtsgefängnis inhaftiert war. Im Februar 1934 wurde er von der Generalstaatsanwaltschaft wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt und war noch bis zum 18. November 1934 in Haft. Danach gelang es Karl, nach Belgien zu flüchten, wo er den „Schlegelkeller-Zyklus“ fertigstellte, der mit 48 Zeichnungen und Texten seine Erfahrungen als Opfer der NS-Folter darstellt.

Die Grafiken aus dem Schlegelkeller-Zyklus wurden 1936 in Brüssel und Amsterdam und 1937 in Moskau ausgestellt. Das Buch „Schlegelkeller“ mit den Grafiken und Karls Bericht über die Folterungen erschien erst 1983. (Foto: Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf)

Während seines Exils entzog man Karl die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch dieses Ausbürgerungsdokument ist bei den Arolsen Archives erhalten. 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten 17 seiner Werke aus deutschen Museen und vernichteten sie – genau wie Hunderte weitere Bilder, die von der NS-Kulturpropaganda als „Entartete Kunst“ eingestuft worden waren.

Rückkehr nach Deutschland

1940 wurde Karl nach der Invasion der deutschen Truppen in Belgien erneut festgenommen und nach Frankreich verschleppt. Sein Name taucht auf einer Liste von Menschen auf, die im Mai 1940 in Belgien wohnhaft waren und dann in französische Gefängnisse kamen. Wahrscheinlich war Karl bis 1945 durchgängig inhaftiert und wurde in dieser Zeit auch von der SS zurück nach Deutschland gebracht. Bei den Arolsen Archives gibt es nur noch Nachweise über Haftzeiten in Frankreich im Sommer 1943. Karl überlebte, kehrte nach Düsseldorf zurück, heiratete und bekam drei Kinder. Er starb am 19. Juni 1955 – seinem 57. Geburtstag.

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