Der Belgier Patrick Vereecke ist auf Spurensuche nach dem Schicksal seines Großvaters. Dieser war von der SS aus seinem belgischen Heimatort Rièzes verschleppt worden und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht wieder heimgekehrt. Jetzt hat sein Enkel beim International Tracing Service (ITS) in Bad Arolsen Einblick in Dokumente über Leopold Vereeckes Verfolgung genommen.

„Ich kann nicht genau sagen, was mich antreibt zu meinen Nachforschungen“, meint Patrick Vereecke. „ Ich weiß nur, dass ich es tun muss.“ Alles fing 1993 mit einer Pulverdose an. Darin hatte seine Großmutter feinsäuberlich die letzten Briefe ihres Mannes aufbewahrt – liebevoll zusammen gefaltet. „Bis dato hatte sie niemals über die Zeit des Zweiten Weltkrieges sprechen wollen.“

Am 25. Februar 1944 hatte die SS Rièzes vollständig eingekesselt und etwa 45 Männer verhaftet. Der damals 33-jährige Leopold Vereecke wurde in die Gefängnisse von Dinant und Namur gesperrt, bevor er nach Deutschland ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert wurde. „Vermutlich ist mein Großvater denunziert worden“, erzählt sein Enkel. „Er war im Widerstand aktiv.“

Im Archiv des ITS gibt es zahlreiche Dokumente zu dessen Inhaftierung in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora. Die letzte Station der Verfolgung war das zum Konzentrationslager Sachsenhausen gehörende Außenlager der Heinkel-Werke Oranienburg. Von hier aus mussten die Häftlinge am 21. April 1945 auf einem Todesmarsch gehen, den Leopold Vereecke nicht überlebte.

Von einem ehemaligen Mithäftling, René Lorge, erhielt die Ehefrau des Widerstandskämpfers kurz nach dem Ende des Krieges eine Postkarte. Lorge schrieb darin, er habe Leopold Vereecke am 25. April 1945 elf Kilometer nördlich von Wittstock das letzte Mal gesehen. „Danach verliert sich jede Spur von ihm“, berichtet der Enkelsohn. „Ich rekonstruiere den Todesmarsch Ort für Ort, Tag für Tag.“ Auch nach Zeitzeugen hat Patrick Vereecke gesucht. Rund 16.000 Häftlinge hatte die SS damals im Belower Wald bei Wittstock zusammengetrieben. Viele starben geschwächt vom Martyrium in den KZs und der fehlenden Nahrung.

Der 57-jährige Belgier will das Wissen über seinen Großvater komplettieren, alle vorhandenen Dokumente und Spuren auswerten. „Ich möchte das Andenken wahren.“ Bei seinem Tod hatte der belgische Widerstandskämpfer vier Kinder und seine Ehefrau hinterlassen. „Mein Vater war noch so jung, dass er sich an Léopold nicht mehr erinnern konnte.“ Dem ITS sei er dankbar für die Unterstützung bei den Recherchen, sagt Patrick Vereecke. „Ich merke, dass es heute eine offene Institution ist. Das ist enorm wichtig.“ Nach dem Besuch beim ITS will er sich jetzt die Orte der Verfolgung und entlang der Route des Todesmarsches ansehen.

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