Mehr Wissen über Fotos der NS-Deportationen aus dem Deutschen Reich
In über 18 Monaten Forschungsarbeit haben Historikerinnen und Historiker von #LastSeen hunderte Fotos der NS-Deportationen aus mehr als 60 Orten gesammelt, darunter auch bislang unbekannte Bilder. Alle Ergebnisse sind jetzt in einem digitalen Bildatlas zu sehen.
In einer aufwendigen Recherche hat das Team Informationen über Verfolgte, die Täterinnen und Täter sowie die Orte und Abläufe der NS-Deportationen zusammengetragen. Alle Ergebnisse sind jetzt in einem digitalen Bildatlas zu sehen. Damit wird das Wissen über die Vorbereitung des industriellen Massenmords an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma erweitert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Projekt #LastSeen ist eine Initiative von fünf Forschungsinstitutionen aus Deutschland und den USA.
Digitale Präsentation der Ergebnisse – weltweit zugänglich
Im digitalen Bildatlas ist die Fotosammlung mit Hilfe verschiedener Filter und über eine Karte durchsuchbar. Per Mausklick lassen sich zahlreiche Detailinformationen abrufen: Wer ist auf den Fotos abgebildet? Welches Schicksal mussten die Verfolgten erleiden? Was ist über den historischen Kontext bekannt? Wer hat fotografiert?
Projektleiterin Dr. Alina Bothe unterstreicht die Bedeutung der Bilder: „Die Fotografien belegen, dass die NS-Deportationen öffentlich sichtbar und an vielen Orten im Deutschen Reich stattfanden. Unsere Forschung zeigt, dass es bis heute noch unbekannte und kaum erschlossene Bilder gibt.“
Der Bildatlas wird laufend weiter ausgebaut. Aktuell sind es bereits 33 Bildserien und 230 Biografien abrufbar, die zum einen der Erinnerung dienen und zum anderen Anknüpfungspunkte für Bildungsprojekte sind.
Für Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives und #LastSeen-Projektpartner, sind die Fotos auch ein Schlüssel für die Gegenwart: „Wir alle wissen, wie wichtig Bilder sind, um sich etwas vorzustellen und zu verstehen. Die Deportationsfotos können ein sehr wirkungsvoller Zugang zu essenziellen Fragen unserer Verantwortung heute sein.“
Entdeckungsspiel – Geschichte selbstständig erschließen
Begleitend wurde ein interaktives Entdeckungsspiel entwickelt, das jungen Menschen ab 16 Jahren einen altersgerechten Zugang zum Thema NS-Deportationen bietet. In der Rolle einer Journalistin oder eines Journalisten suchen sie auf einem virtuellen Dachboden nach Informationen für einen Blogartikel über eine Deportation. Anhand von Fotos, Dokumenten, Notizen und Gegenständen rekonstruieren die Jugendlichen, wie die Deportation von Jüdinnen und Juden zum Beispiel aus der thüringischen Stadt Eisenach im Mai 1942 verlief.
#LastSeen wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht gefördert. Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der EVZ, betont den Wert der Forschung für junge Generationen: „Die Deportationsfotos machen das Schicksal der Verfolgten sichtbar, vermitteln historische Fakten und fordern dazu heraus, Fragen aus der Geschichte auf die Gegenwart anzuwenden. Unsere MEMO-Jugendstudie zeigt, dass visuelle Inhalte von jungen Menschen in Bildungsmaterialien zur NS-Geschichte als besonders sinnvoll bewertet werden.“
Forschungsprojekt wird fortgesetzt
Das Forschungsprojekt #LastSeen soll fortgesetzt werden. Im Mittelpunkt der kommenden Projektphase wird die Ausweitung der Recherche auf die Krankenmorde stehen. Außerdem sollen im nächsten Schritt Bilder und Informationen zu den Deportationen aus Österreich und dem Sudetengebiet zusammengetragen werden.
Terminhinweis: Am 14.3. und 15.3.2023 findet eine zweitägige Online-Fachkonferenz zum Launch des Projekts statt. Wenn Sie an der Konferenz teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte unter lastseen@arolsen-archives.org an, Sie erhalten dann die Zugangslinks für die Konferenztage.
#LastSeen ist eine Initiative der Arolsen Archives & Partner:
- Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
- Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur, Kulturreferat der Landeshauptstadt München
- USC Dornsife Center for Advanced Genocide Research, Los Angeles
- Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin
Gefördert wird das Projekt von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) sowie durch das Bundesministerium der Finanzen im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht.
Pressefoto: #LastSeen Testing
Testing mit einer Schulklasse des Wittelsbacher-Gymnasiums in München
Fotocredit: &why
Pressefoto: Deportation der Juden und Jüdinnen aus Halberstadt
Fernaufnahme der Deportation der Juden und Jüdinnen aus Halberstadt am 12.04.1942. Am Rand des Bildes in der nicht abgebildeten Version ist handschriftlich vermerkt: „The man in front is our father. To his right our mother.“
Fotocredit: Archiv Familie Beverstein
Pressefoto: Deportation aus Bremen, 17.11.1941
Größere Gruppe Menschen vermutlich auf dem Schulhof der Sammelstelle Am Barkhof. Henny und Ursula Fink sowie Marion Orbach haben der Kamera den Rücken zugedreht. Die Aufnahme ist höchstwahrscheinlich aus Verfolgtenperspektive aufgenommen worden.
Fotocredit: Sammlung Inge Berger
Pressefoto: Deportation von Münchner Jüdinnen und Juden
Deportation von Münchner Jüdinnen und Juden im November 1941, Transport vom Deportationslager an der Knorrstraße 148 zum Bahnhof Milbertshofen. Die kleine Judis ist unten auf dem Arm des Mannes, Ihre Mutter Gertrud Cahn steht links neben dem Mann.
Fotocredit: Stadtarchiv München, DE-1992-FS-NS-00017