Werner Hansch ist eine Legende unter den Sportreportern und gilt als „Stimme des Ruhrpotts“. Mit dem International Tracing Service (ITS) fühlt er sich besonders verbunden. Durch Zufall hatte er 2014 erfahren, dass es im ITS-Archiv vielleicht Hinweise auf den Verfolgungsweg seines Vaters geben könnte. Seine Anfrage brachte ihm Klarheit, die er viele Jahrzehnte vermisst hatte. Als er im April 2018 vom Lions-Club Bad Arolsen zu einem Vortrag eingeladen wurden, nahm er die Chance wahr und besuchte den ITS. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie stolz ich auf meinen alten Vater bin“, erklärt er, die Originaldokumente über die Verurteilung seines Vaters wegen Vorbereitung zum Hochverrat in seinen Händen. „Stefan Hansch war ein einfacher Gesteinshauer, ein Püttmann, und stand auf der anderen Seite. Er ist nicht dem brauen Rattenfänger nachgelaufen.“ Der aus Polen stammende Bergmann hatte einem Bekannten aus der Zeche für einen geplanten Anschlag Sprengstoff besorgt. Dieser flog auf und gab wohl unter Folter die Namen seiner Helfer preis. Darunter der Vater von Werner Hansch, der ein Jahr vor der Machtergreifung Hitlers der kommunistischen Partei Deutschlands beigetreten war. „Das war mindestens mutig“, kommentiert sein Sohn. Die Nationalsozialisten verurteilten Stefan Hansch am 27. April 1934 zu zwei Jahren Haft. Ein Dokument im Archiv des ITS gibt an, dass er im Konzentrationslager Esterwegen inhaftiert war. Er kam Ende 1935 zurück nach Hause, doch nicht für lange. Ein Kneipenbesuch im Mai 1938 hatte schlimme Folgen, der Wirt denunzierte ihn. Stefan Hansch hatte gesagt, dass er auch nicht wisse, warum sie alle Adolf Hitler nachliefen. Er sei auch nur ein Arbeiter. Diese „staatsfeindliche Äußerung“ brachte den 48-Jährigen erneut ins Konzentrationslager, dieses Mal nach Buchenwald in „rückfällige Schutzhaft“. Seine Frau war zu dieser Zeit schwanger. Werner Hansch wurde in schwierige Verhältnisse geboren. Um über die Runden zu kommen, ging seine Mutter mit ihm nach Polen zu ihrer Familie. Seine Schwestern arbeiteten schon. Wann er seinen Vater das erste Mal sah, weiß Werner Hansch nicht. Dieser war 1939 aus der KZ-Haft entlassen worden. Seine Mutter kehrte mit dem Jungen vor der heranrückenden Sowjetarmee zurück ins Ruhrgebiet. „Einen Vater im klassischen Sinn habe ich nie gehabt“, so Werner Hansch. „Der war schon tot, als er noch lebte.“ Er sieht ihn – durch die Arbeit im Bergwerk krank und die KZ-Haft gebrochen – unbeteiligt im kleinen Wohnzimmer sitzen, mit Pfeife und dem Blick ins Leere. Weil er sich nicht vorstellen konnte, dass der Sohn eines Bergmanns Abitur machen könnte, war er zunächst dagegen, gab aber seinen Widerstand auf. Werner Hansch konnte studieren, auch wenn sein Lebensweg nicht gerade verlief, und er vielen Zufällen seine berufliche Karriere verdankt. Bis zu seiner Anfrage beim ITS wusste Werner Hansch nur, dass sein Vater im KZ gewesen war und deshalb eine kleine Rente erhielt. Die Gründe und Umstände kannte er nicht. Die sehr genauen Dokumente über dessen Verhaftungen, die Gründe der Verurteilung und den Weg durch die Konzentrationslager sorgten dafür, dass einen anderen Blick auf sein Leben bekam. Ein Blick, der durch die Originaldokumente mit der Unterschrift des Vaters auf Dokumenten aus dem KZ Buchenwald und die Erläuterungen der ITS-Mitarbeiterinnen noch etwas deutlicher wurde. Der Besuch beim ITS löste bei Werner Hansch viele Erinnerungen an seinen Vater aus, über die er in seiner unnachahmlichen und humorvollen Art berichtete.
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