Einleitung

Ginette, Cathérine, Caro – verschiedene Namen einer Frau, die vielen nur als kleine Schwester des Modeschöpfers Christian Dior bekannt ist. Cathérine jedoch war es, die im französischen Widerstand aktiv war und Mitte August 1944 ins KZ Ravensbrück deportiert wurde. Im Arbeitslager Torgau, einem Außenlager des KZ Buchenwald, musste sie Blindgänger in einem Säurebad reinigen.

Einige Wochen später transportierten sie die Nazis zur Zwangsarbeit für BMW in ein Flugmotorenwerk in Abteroda und von dort aus am 24. Februar 1945 zu einem anderen Außenlager in Markkleeberg, dieses Mal für Junkers Flugmotoren. Nach dem Krieg inspirierte sie ihren Bruder zu dem weltberühmten Parfum Miss Dior.

Heile Welt

Heile Welt

Geboren am 2. August 1917, wuchs Ginette Marie Cathérine Dior als jüngste von fünf Geschwistern in Paris und in Granville in der Normandie auf. Die Familie war wohlhabend, Mutter Madeleine liebte es, sich um den Garten der Villa in Granville zu kümmern, dessen Herzstück die Rosen waren. Blumen sollten ein zentrales Thema in Cathérines Leben werden, wie auch für ihren Bruder Christian.

Die Familie Dior im Garten der Villa Les Rhumbs. Coll. Musée Christian Dior, Granville © Alle Rechte vorbehalten

Verfolgungswege

Widerstand

Widerstand

Im Herbst 1941 lernte Cathérine den zwölf Jahre älteren Hervé des Charbonneries kennen – es war Liebe auf den ersten Blick. Hervé engagierte sich im Widerstand und Cathérine, die sich zu dieser Zeit den Codenamen Caro zulegte, übernahm schnell Tätigkeiten für die Résistance. Sie sammelte Informationen über die Informationen über die Bewegungen der deutschen Truppen und Kriegsschiffe.

Am 6. Juli 1944 wurde sie in Paris verhaftet. Im Gefängnis von Fresnes wurde sie gefoltert, damit sie andere Widerstandskämpfer*innen verraten sollte. Von Fresnes wurde Cathérine nach Romainville gebracht und von dort am 15. August 1944 deportiert. Sie gehörte zu dem letzten Transport, der Paris während der Besatzung der Nazis verließ. Am 22. August 1944 erreichte der Transport das KZ Ravensbrück, Cathérine wurde als Häftling Nummer 57813 registriert und musste einen roten Winkel tragen, der sie als politischen Häftling kennzeichnete. Als Begründung für Cathérines Verhaftung und Verschleppung ins Konzentrationslager Ravensbrück steht auf ihrer Häftlingspersonalkarte: „Reichsfeindliche Betätigung“.

Cathérine wurde einer sogenannten „Zugangsquarantäne“ unterzogen, die bis zum 4. September 1944 dauerte. Am 21. September 1944 erschien ihr Name auf einer Liste von 500 weiblichen Häftlingen, die ins Arbeitslager Torgau, ein Außenlager des KZ Buchenwald, weiterverschleppt werden sollten. Es waren fast ausschließlich Französinnen.

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Zwangsarbeit und Befreiung

Zwangsarbeit und Befreiung

Im Außenlager Torgau mussten Cathérine und die anderen Frauen Blindgänger in einem Säurebad reinigen – eine Arbeit, bei der sich die Säure in Haut und Lunge fraß. Nach vier Wochen war die Gesundheit der Arbeiterinnen so geschädigt, dass die eine Hälfte der Frauen in das Buchenwald-Außenlager Abteroda geschickt und die andere Hälfte nach Ravensbrück zurückbeordert wurde. So verrichtete Cathérine etwa ab dem 19. Oktober 1944 Zwangsarbeit für BMW in einem Flugmotorenwerk in Abteroda.

Aus einer in den Arolsen Archives verwahrten Liste über geänderte Häftlingsnummern geht hervor, dass sie sich dort noch am 19. Dezember 1944 aufhielt. Die Lagerleitung war mit der Arbeit der Französinnen unzufrieden und vermutete Sabotageakte, was dazu führte, dass die französischen Frauen in zwei Transporten in ein anderes Buchenwald-Außenlager namens Markkleeberg gebracht wurden. Der erste Transport dorthin verließ Abteroda am 12. Februar 1945, der zweite am 24. Februar 1945.

Cathérine kam mit dem zweiten Transport nach Markkleeberg, einer weiteren Zwangsarbeitsstation, dieses Mal für die Firma Junkers Flugmotoren. Die Frauen mussten hier schwere Bauarbeiten verrichten. Die Häftlingspersonalkarte aus dem KZ Buchenwald, die das Archiv verwahrt, bestätigt Cathérines Registrierung dort am 26. Februar 1945.

Am 21. April 1945 gelang es Cathérine von einem Todesmarsch zu fliehen. Sie erlebte die Befreiung durch die Sowjetische Armee in Dresden. Von dort kehrte sie zurück nach Paris, wo sie von ihrem Bruder empfangen wurde.

Zitat

Ich wundere mich manchmal, wie ich es geschafft habe, weiterzumachen… für meine Schwester, mit der ich die Freuden des Gärtnerns in Callian geteilt habe, die verhaftet wurde und dann deportiert. Ich versuchte alles, um sie zu finden – umsonst. Arbeit, anspruchsvolle, komplett absorbierende Arbeit war die einzige Droge, die es mir ermöglicht hat, sie zu vergessen.

Christian Dior, in seinen Memoiren "Dior by Dior"

Das Leben nach dem Krieg

Das Leben nach dem Krieg

Im Herbst 1945 zogen Cathérine und Hervé gemeinsam in Christians Appartement in Paris und begannen auf dem Markt Les Halles als Großhändler Blumen an Floristen zu verkaufen.

1952 sagte Cathérine als Zeugin im sogenannten Prozess „Rue de la Pompe Gestapo“ in Paris gegen zwölf Franzosen und zwei Deutsche aus. Acht der französischen Angeklagten, die an ihrer Verhaftung und Folter beteiligt waren, wurden zum Tode verurteilt, die anderen wurden mit lebenslänglicher oder langjähriger Zwangsarbeit bestraft.

Aus Gesprächen mit Personen, die Cathérine Dior kannten, erfuhr die Autorin des Buches „Miss Dior. A Story of Courage and Couture“ Justine Picardie, dass Cathérine selbst sehr selten über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg sprach. Nach zwölf Jahren in Paris zog Cathérine zurück nach Callian, wo sie gemeinsam mit Hervé lebte und Rosen anbaute, die sie zur Parfumherstellung nach Grasse verkaufte.

Catherine Dior et Hervé des Charbonneries an ihrem Blumenstand, 5 rue Jean-Jacques Rousseau, vers 1957 © DR - Collection Christian Dior Parfums, Paris

Auszeichnungen

Auszeichnungen

Cathérine Dior starb am 17. Juni 2008 im Alter von 90 Jahren und ist neben ihren engsten Vertrauten auf dem Friedhof von Callian begraben.

Cathérine Dior erhielt für ihre Arbeit in der Résistance viele Auszeichnungen: Das Croix de Guerre, das Croix du Combattant Volontaire de las Résistance und das polnische Kreuz der Tapferkeit, die Königsmedaille für Mut im Dienste der Freiheit.

Catherine Dior bei der Rosenernte auf ihrem Anwesen in Callian © DR - Collection Christian Dior Parfums, Paris
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