Über 100 000 Aufrufe in den ersten zwei Wochen: Die Resonanz auf unser neues Online-Archiv war überwältigend. Mit Hilfe der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und ihrer hochmodernen Technologie zum schnellen Datenabruf haben wir die umfassende Datenbank im Mai 2019 an den Start gebracht. Nun kann darin jeder Internetnutzer auf der Welt die Schicksale von NS-Opfern recherchieren. Zahlreiche Kommentare auf Social Media zeigten uns, wie viele junge Menschen sich jetzt für die Aufarbeitung interessieren – insbesondere, wenn es um die Geschichte ihrer eigenen Familie geht.

„Unglaublich, ich habe Informationen und Namen von der Verwandtschaft meines Vaters gefunden, die ich vorher nicht kannte! Sehr aufregend!“, schrieb eine Nutzerin auf Facebook. Viele Interessierte und auch Journalisten machten sich sogleich daran, im Online-Archiv nach bekannten Persönlichkeiten zu suchen. So fand ein Redakteur aus Österreich Unterlagen aus der Nachkriegszeit über einen weltberühmten Dichter: Paul Celan, damals noch unter dem Namen Paul Ancel, hatte die International Refugee Organisation (IRO) im Juni 1948 um Unterstützung für eine Emigration nach Frankreich gebeten. Auch über den Vater des österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen fand ein Nutzer spannende Dokumente wie einen handgeschriebenen Lebenslauf.

Teleskop in die Vergangenheit

Der amerikanische Jurist Assaf Elrom, dessen Großeltern als jüdische Verfolgte in deutschen Konzentrationslagern inhaftiert waren, schilderte uns seine Erfahrungen bei der Suche im Online-Archiv in einem Dankesschreiben:

»I am still thrilled and moved by the documentation that I have found in just a few minutes… I feel that the direct approach to the online archive gives us, the children and grandchildren of the survivors, an unprecedented path to what was left of their lives… It’s a telescope pointed 3,000 miles and 75 years away, and it’s so important that we look through it.«

Assaf Elrom, Jurist, New York

Viel diskutierte Idee

Das neue Online-Archiv ist ein großer Meilenstein auf dem Weg der Arolsen Archives hin zu einer offenen Institution, die allen Menschen das „Gedächtnis“ über die Schicksale der NS-Opfer frei zugänglich macht. Dennoch wurde die Idee zunächst viel diskutiert. Manche Mitarbeiter und auch externe Experten fragten, ob es moralisch und juristisch unbedenklich sei, persönliche Informationen über die NS-Opfer im Internet zu veröffentlichen.

Bereits seit 2015 hatten die Arolsen Archives verschiedene kleinere Bestände online gestellt – immer mit der Absicht, in den kommenden Jahren große Sammlungen im Internet zu veröffentlichen. Die Mitarbeiter digitalisieren dazu Millionen Dokumente Schritt für Schritt und versehen sie mit Schlagworten, damit sie besser durchsuchbar sind.

Technologische Unterstützung

Was für ein modernes Online-Archiv bisher noch gefehlt hatte, war eine sehr leistungsfähige Plattform. Sie sollte einfach zugänglich und gleichzeitig so nutzerfreundlich sein, wie man es heute von Suchmaschinen gewohnt ist. Dafür sind die Arolsen Archives eine Partnerschaft mit Yad Vashem eingegangen. Die internationale Holocaust-Gedenkstätte in Israel verfügt über eine hochmoderne Technologie, die schnelles Daten-Management und eine erweiterte Ort- und Namensuche unterstützt.

»Seit fast einem halben Jahrhundert arbeitet Yad Vashem eng mit den Arolsen Archives zusammen. Bereits in den 1950er Jahren fertigte Yad Vashem eine Kopie der Dokumentation des damaligen International Tracing Service an, um besseren Zugang zu Informationen über das Schicksal der jüdischen Opfer zu haben. Die aktuelle Partnerschaft bringt die Kompetenz von Yad Vashem mit den Beständen der Arolsen Archives zusammen, um Forschung und Recherche über den Holocaust zu fördern.«

Avner Shalev, Vorstandsvorsitzender Yad Vashem

Strategische Partnerschaften

Um mehr und mehr Bestände im Internet verfügbar zu machen, setzen die Arolsen Archives  auch auf Partnerschaften mit anderen Institutionen. Es geht darum, die digitalisierten Dokumente vollständig mit allen Angaben durchsuchbar machen. Zum Beispiel müssen Listen über den Transport von Häftlingen in ein KZ mit den entsprechenden Namen, Daten und Orten verknüpft werden. Dieser Prozess ist aufwendig und teuer. Oft sind dafür Technik- und Personalressourcen nötig, die die Arolsen Archives nicht haben. Deshalb arbeiten wir seit Frühjahr 2019 mit Ancestry zusammen. Das amerikanische Unternehmen betreibt die derzeit bedeutendste Online-Plattform für Ahnenforschung. Sie hat über drei Millionen Nutzer und ist in mehr als 30 Ländern verfügbar. Ancestry hat die Mittel, große Bestände schnell und in guter Qualität zu verschlagworten.  

Dieses Video zeigt, wie Ancestry und die Arolsen Archives die Dokumente gemeinsam online stellen und warum das Online-Archiv heute so wichtig ist:

Millionen weitere Dokumente online

Im August 2019 konnten wir mit Ancestry einen weiteren großen Bestand aus unserer Sammlung ins Online-Archiv bringen: Die „Passagierlisten“ mit Informationen zu über 1,9 Millionen Displaced Persons, die nach dem Krieg Europa verlassen haben, um in Ländern wie USA oder Australien ein neues Leben zu beginnen. Im November 2019 ging es gleich weiter: 850 000 Dokumente mit Informationen zu zehn Millionen Namen, insbesondere zu den Überlebenden und Opfern der Todesmärsche und Konzentrationslager sowie über Zwangsarbeiter. Ancestry bringt die Dokumente auch auf die eigene Plattform – so erreichen die Informationen aus unserem Archiv ein noch größeres weltweites Publikum.

17 Mio. Namen*
14 Mio. Dokumente
360 000 Nutzer bis Ende 2019

Das Online-Archiv in Zahlen

Im Jahr 2019 haben die Arolsen Archives mithilfe von Institutionen wie Ancestry bereits zahlreiche Bestände aus dem umfassenden Archiv in Bad Arolsen online gestellt. Das Online-Archiv wird nun Schritt für Schritt weiterentwickelt und verbessert.

*Name ist nicht gleich Person: Viele Menschen wurden mit unterschiedlichen Schreibweisen registriert.

Ausblick

Mit neuen Ideen und starken Partnern wollen wir bis zum Jahr 2025 alle Dokumente aus dem Archiv online veröffentlichen und möglichst umfangreiche Recherche-Möglichkeiten bieten. Nicht immer sind dabei Schwergewichte wie Ancestry gefragt: Seit Herbst 2019 entwickeln wir das Crowdsourcing-Projekt „Jeder Name zählt“, damit jeder helfen kann, die Informationen auf den Dokumenten zu erfassen. Im Januar 2020 haben die ersten rund 1 000 Schülerinnen und Schüler aus Deutschland die Namen von Menschen auf Deportationslisten verschlagwortet. Nach der Pilotphase wird das Projekt international fortgesetzt.

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