200. Rückgabe: Schmuck an die Tochter
Wanda Jaroszyńska hat ihre Mutter, Wiesława Brzyś, als schicke Frau in Erinnerung, die Wert auf eine elegante Erscheinung legte. Über ihre Zeit in verschiedenen Konzentrationslagern sprach sie selten. Nun erhielt die Tochter die persönlichen Gegenstände, die die Nationalsozialisten ihrer Mutter im Konzentrationslager abgenommen hatten: Schmuckstücke wie eine goldene Armbanduhr, eine Bernstein-Brosche und eine Kette mit Mutter-Gottes-Anhänger. Vermutlich war es der Schmuck, den sie trug, als die Nazis sie während des Warschauer Aufstandes 1944 verhafteten.
Nach dem Start der ITS-Kampagne #StolenMemory war dies die 200. Rückgabe von persönlichen Gegenständen aus dem Besitz von KZ-Häftlingen an nun gefundene Angehörige. Der größte erhaltene Bestand dieser sogenannten Effekten beim ITS stammt aus dem Konzentrationslager Neuengamme.
Wiesława Brzyś war bereits 1943 im Alter von 15 Jahren aus Warschau zur Zwangsarbeit nach Wien deportiert worden. Jedoch konnte, wohl mit Hilfe des Vaters, eine Rückkehr erwirkt werden. Während des Warschauer Aufstandes im Jahr darauf nahmen die Nazis dann die ganze Familie fest. Sie deportierten sie zunächst in das Konzentrationslager Stutthof, Mutter und Tochter dann getrennt vom Vater nach Neuengamme. Der Vater überlebte die Zeit im KZ nicht. Mutter und Tochter wurden zum Kriegsende im Lager Bergen-Belsen befreit.
Die Menschen, die während des Warschauer Aufstands inhaftiert wurden, hatten oft nicht viel bei sich, erzählt ITS Mitarbeiterin Malgorzata Przybyla: „Sie hatten gewöhnlich wenig Chancen, noch etwas einzupacken, da die Nationalsozialisten sie einfach rauszogen und deportierten.“ Umso wertvoller sind für die Familien oft die verbleibenden Erinnerungsstücke, zumal, wenn die Betroffenen nicht über die Zeit sprechen konnten.
In einem Telefonat berichtete Wanda Jaroszyńska, dass sie mit ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter in einem Ostsee-Urlaub die Gedenkstätte Stutthof besuchen wollte. Doch die Mutter habe plötzlich am Eingang die Kraft verlassen. Sie konnte keinen Schritt hineingehen und blieb weinend davor sitzen. Vielleicht sei es sogar gut, dass die Schmuckstücke erst jetzt wieder zurück in die Familie gefunden hätten, meint die Tochter. Das Päckchen damit soll der Enkel bei seinem nächsten Besuch auspacken dürfen. Er stand Wiesława Brzyś besonders nahe und soll nun entscheiden, was mit den Erinnerungsstücken passiert.