Die bedeutende Sammlung der Arolsen Archives über NS-Verfolgte benötigt dringend ein Archivgebäude, in dem das UNESCO-Weltdokumentenerbe sicher und repräsentativ aufbewahrt wird. Nun ist mit dem erfolgreich durchgeführten Architekturwettbewerb ein wichtiger Meilenstein geschafft: Das Architekturbüro RIEHLE KOETH aus Stuttgart gewinnt mit seinem Entwurf den ersten Preis für den Neubau in Bad Arolsen.

Gemeinsam mit dem Düsseldorfer Landschaftsarchitekturbüro KRAFT.RAUM gelingt dem Büro „eine bewundernswert klare und schlüssige Bearbeitung der herausfordernden Bauaufgabe“, so die Jury in ihrer Begründung. „Bewahren und Erinnern“ – das sind die zwei wesentlichen Aufgaben des neuen Archivgebäudes. Die Stuttgarter Architekten finden dafür einen spannungsvollen Kontrast von einem schweren, geschlossenen Kubus, umgeben von einem leichten, transparenten Baukörper im Pavillonstil, der zum Erinnern einlädt.

 

Gebäude soll 2028 fertig sein

Platz zwei belegen die Pläne des Büros Nieto Sobejano Architectos aus Berlin. Sie planen eine Fassade aus rot eingefärbten Betonfertigteilen, die an Schachteln und Archivboxen erinnern. Die Jury lobt bei diesem Entwurf zudem die besonders sparsame Versiegelung von Grünflächen. Das drittplatzierte Konzept des Architekturbüros AFF Architekten, ebenfalls aus Berlin, präsentiert das Archiv als eine Art Gartendenkmal, das sich in die atmosphärische Ruhe des umgebenden Parks harmonisch einbettet. Welcher der drei Gewinnerentwürfe tatsächlich realisiert wird, entscheidet ein anschließendes EU-Vergabeverfahren. Der Archiv-Neubau soll laut Planung 2028 fertiggestellt sein.

 

Jury würdigt außergewöhnlich gute Arbeiten

Bei der Auswahl der besten Konzepte orientierte sich die 13-köpfige Jury unter Vorsitz von Prof. Gesine Weinmiller an Kriterien wie zeitgenössische Architektur, Funktionalität, Energieeffizienz sowie baurechtliche Vorgaben und Freiflächengestaltung. Besonderes Augenmerk lag zudem auf dem Dialog zwischen dem historischen Stadtpark am geplanten Standort in Bad Arolsen und dem Neubau, sowie der Symbolträchtigkeit von Außen- und Innenwirkung. „Die Arolsen Archives bekommen endlich nach 80 Jahren die bauliche Hülle, die der Bedeutung dieses Archivs entspricht. 30 Millionen Dokumente über NS-Verfolgte werden hier für die Nachwelt erstmals unter perfekten konservatorischen Bedingungen untergebracht. Das Archiv ist gleichermaßen Forschungsstätte und Mahnmal. Aus einer Vielzahl an hervorragenden Entwürfen ist es gelungen, drei außergewöhnlich gute Arbeiten zu prämieren. Eine gute Voraussetzung für das Gelingen des Neubaus“, ordnet Preisrichterin Weinmiller ein.

Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives ergänzt: „Das Gebäude wird auch ein Ort des Gedenkens sein und muss Raum bieten für emotionale Momente, die im Umgang mit den persönlichen Schicksalen entstehen. Die eingereichten Entwürfe zeigen, dass sich anspruchsvolle Aufgaben wie diese mit Funktionalität und einer optimalen Arbeitsatmosphäre für unsere Mitarbeitenden vereinen lassen.“

 

Über 50 Büros hatten sich beworben

Für den Wettbewerb zeichnete die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA) verantwortlich, unterstützt von der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main (OFD), dem Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen sowie den Arolsen Archives als Nutzer. Über 50 nationale und internationale Planungs- und Architekturbüros hatten sich für die Teilnahme beworben, 15 Büros wurden für den Architekturwettbewerb mit einem Preisgeld von 131.000 Euro ausgewählt. Das Preisgericht begutachtete die Entwürfe am 24. Oktober 2023. Der Neubau ist mit rund 17,3 Millionen Euro veranschlagt. Er soll ab 2028 nicht nur die Dokumente der Arolsen Archives schützen, sondern auch das UNESCO-Weltdokumentenerbe nach außen hin repräsentieren.

 

Neubau für UNESCO-Weltdokumentenerbe

Die Arolsen Archives sind das weltweit größte Archiv für Dokumente von Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die weltweit einzigartige Sammlung wird von der UNESCO seit 2013 als Weltdokumentenerbe eingestuft: Es enthält 30 Millionen Dokumente aus der NS-Zeit und der frühen Nachkriegszeit, 50 Millionen Hinweiskarten aus der Zentralen Namenkartei und rund drei Millionen Korrespondenzakten, die Anfragen aus über sieben Jahrzehnten enthalten.

 

Die Pläne können im Verwaltungsgebäude der Arolsen Archives zwischen dem 8. und 17. November 2023 besichtigt werden:
Jeweils montags, mittwochs und freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr.
Dienstags und donnerstags von 14.00 bis 17.00 Uhr.
Große Allee 5-9 – 34454 Bad Arolsen

Platz 1: RIEHLE KOETH GmbH +Co. KG, Stuttgart mit KRAFT.RAUM, Düsseldorf

Gewinnerentwurf von RIEHLE KOETH: Kombination eines leichten, transparenten Baukörpers (vorne) und eines schweren geschlossenen hohen, monolithischen Kubus.

Platz 1: RIEHLE KOETH GmbH +Co. KG, Stuttgart mit KRAFT.RAUM, Düsseldorf

Im Betonkubus finden alle Archivunterlagen einen sicheren und strukturieren Aufbewahrungsort – den Ort des „Bewahrens“. Umspült wird dieser von einer gänzlich anders anmutenden hölzernen Pavillonstruktur – ein offener Ort, der zum „Erinnern“ einlädt.

Platz 1: RIEHLE KOETH GmbH +Co. KG, Stuttgart mit KRAFT.RAUM, Düsseldorf

Die klare Trennung des Archivbereichs von den Büroräumen und dem Konferenzbereich ist prägendes und überzeugendes Stilmittel des Gewinnerentwurfs von RIEHLE KOETH.

Platz 2: Nieto Sobejano Architectos GmbH, Berlin mit La.BAR Landschaftsarchitekten, Berlin

Platz 2 geht an Nieto Sobejano Architectos aus Berlin: Das Büro schlägt einen dreigeschossigen Bau mit einer Fassade aus rot eingefärbten Betonfertigteilen vor. Diese erinnern an Schachteln und Archivierungsboxen. Damit wird laut Jury mit relativ einfachen Mitteln eine eigene Sprache entwickelt.

Platz 3: AFF Architekten, Berlin mit Landschafts.Architektur Birgit Hammer, Berlin

Platz 3 interpretiert das Archiv als eine Art Gartendenkmal, das sich in die atmosphärische Ruhe des Parks harmonisch einbettet. Im Innern ragt ein zentraler monolithischer Block in den Himmel.

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