Das Geheimnis des Tango-Tänzers
Die Überraschung für die Schwestern Rosa und Pilar Antón Belle war groß, als sie einen Anruf von Antonio Muñoz Sánchez erhielten. Der Historiker an der Universität Rovira i Virgili in Tarragona unterstützt als freiwilliger Helfer die Arolsen Archives bei der Suche nach Angehörigen von ehemaligen spanischen KZ-Häftlingen. Mit seiner Hilfe sollen die im Archiv in Bad Arolsen verwahrten persönlichen Gegenstände der NS-Opfer an die Familien übergeben werden. Bei seinen Recherchen fand er auch die Schwestern Rosa und Pilar.
Rosas und Pilars Vater Blas Antón Díaz war Häftling im Konzentrationslager Neuengamme. Die Uhr und der Ring, die ihm die Nationalsozialisten bei seiner Inhaftierung abnahmen, wurden in den Arolsen Archives verwahrt. Bis zum Zeitpunkt des Anrufs wussten die beiden Schwestern nur wenig aus der Vergangenheit ihres Vaters. Er erzählte seiner Familie, er sei als 18-Jähriger zum Militärdienst eingezogen worden und hätte 1938 unter anderem an einer der bekanntesten und blutigsten Schlachten des Spanischen Bürgerkriegs, der Ebro-Schlacht, teilgenommen. Dabei wurde er verwundet.
Nach Ende des Bürgerkriegs sei er nur für kurze Zeit wieder nach Hause gekommen. Seinen Töchtern und seiner Frau erzählte er auch, er hätte später während des Zweiten Weltkrieges mit der Blauen Division in der Sowjetunion gekämpft, einige Zeit in Paris gelebt und sei in einem Lager gewesen. Wobei er nie näher darauf einging, um welches Lager es sich gehandelt hatte. Und während seines Aufenthaltes in Paris habe er einen Wettbewerb im Tangotanzen gewonnen. Mehr erzählte Blas Antón Díaz nie.
Die Schwestern Rosa und Pilar verloren ihren Vater früh. Die Älteste, Pilar, war erst 10 Jahre alt, als Blas Antón Díaz 1964 starb. Sie erinnert sich an ihren Vater als extrovertierten, überall bekannten und sehr beliebten Mann mit einer starken Persönlichkeit. Doch nach dem Anruf von Antonio Muñoz Sánchez ist nichts mehr so wie es war. Nun stellt der Vater für die beiden in Barcelona geborenen Töchter ein einziges Rätsel dar. Seitdem sind die Schwestern damit beschäftigt, den Lebenslauf ihres Vaters zu rekonstruieren. Im Januar 2020 sandten ihnen die Arolsen Archives einen Ring und eine Uhr ihres Vaters zu. Für die Schwestern war nun zumindest eine der Fragen geklärt: Jetzt wissen sie, dass es sich bei dem Lager um das KZ Neuengamme in Hamburg handelt. “Ich habe auf diese Art und Weise meinen Vater etwas besser kennen gelernt”, sagt Pilar, die älteste Tochter von Blas Antón Díaz.