Bei ihrer Verhaftung im April 1945 nahm die Gestapo der jungen Hamburgerin Helga Thörl alle persönlichen Gegenstände ab, darunter eine Armbanduhr. Diese Uhr konnte der International Tracing Service (ITS) der inzwischen 91-Jährigen im November 2015 zurückgeben. Erstmals seit vielen Jahren hat der ITS einer Überlebenden selbst ihr Eigentum aushändigen können. Für sie und ihre Familie ist die Uhr ein wichtiger Erinnerungsschlüssel.

„Wir sind überrascht und fasziniert, wie mit diesem kleinen Gegenstand plötzlich eine starke Verbindung zur Vergangenheit entsteht“, erzählt die Schwiegertochter, die bei der Rückgabe dabei war. „Seit wir von der Uhr wissen, reden wir in der Familie viel mehr über die Familiengeschichte.“ Helga Thörl hat lange Zeit nicht über die Wochen der Inhaftierung gesprochen; ihre Uhr erkannte sie jedoch sofort. Bis heute trägt sie ein erstaunlich ähnliches Modell.

Wegen NS-kritischer Äußerungen hatte ein Nachbar die junge Frau und ihren Vater denunziert. Die Gestapo inhaftierte sie als sogenannte „Schutzhaftgefangene“ – also ohne gerichtliches Verfahren. Helga Thörl wurde im April 1945 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel registriert und von dort aus in das Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel verschleppt.

„Meine Mutter hatte immer Angst, dass so etwas passieren könnte“, berichtet sie. „Weil mein Vater und ich den Mund nicht halten konnten. Wir waren beide sehr impulsiv.“ Sie überstand die unmenschlichen Haftbedingungen und konnte noch kurz vor der Befreiung durch die Alliierten das Lager verlassen. Ihr Vater überlebte die Folgen der Haft nur wenige Wochen.

Es ist einer Kölner Journalistin zu verdanken, dass Helga Thörl ihre Uhr jetzt zurückbekam. Sie begann 2015 anhand der auf der ITS-Website veröffentlichten Effektenliste nach Besitzern oder Erben zu suchen und machte Helga Thörl ausfindig. Nur noch in sehr seltenen Fällen bekommen überlebende Besitzer selbst ihre persönlichen Gegenstände aus der Zeit der Inhaftierung zurück – nach so vielen Jahrzehnten sind es meist ihre Kinder oder Enkel.

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