Max Wernicke war als sogenannter Polizeihäftling im Konzentrationslager Neuengamme. Nach den Bombenangriffen auf Hamburg im Sommer 1943 und neuen Verhaftungswellen reichte der Platz in den Strafanstalten der Stadt nicht mehr aus.

Deshalb begann die Gestapo damit, politische Gefangene in das KZ Neuengamme und andere Lager zu verlegen. „Mein Großvater war ein unbequemer Mensch, vielleicht wurde er deshalb verhaftet“, erzählte Christel Gottschalk, als sie Ende Juni 2018 zum ITS kam, um seine persönlichen Gegenstände entgegenzunehmen: eine Taschenuhr und einige Rentenscheine. Nach umfangreichen Recherchen in verschiedenen Ämtern und Archiven war es dem ITS-Team im Rahmen der Kampagne #StolenMemory gelungen, die Enkelin zu finden.

Im Archiv des ITS gibt es keine Akten über seine Zeit im Gefängnis. Dokumentiert ist, dass die Kriminalpolizei ihn am 9. November 1943 in das Konzentrationslager nahe Hamburg einlieferte. Zunächst führte ihn die Lagerverwaltung unter der Nummer 0329. Alle Polizeihäftlinge hatten Nummern mit einer 0 am Anfang. Wegen ihres politischen Widerstands und der deshalb angenommenen Fluchtgefahr waren sie speziell gekennzeichnet und wurden nie zu Zwangsarbeit in Außenlagern eingesetzt. Max Wernicke sowie andere der Polizeihäftlinge erhielten nach einiger Zeit jedoch die regulären Häftlingsnummern. Der Grund war vermutlich der Bedarf an immer neuen Zwangsarbeitern für die Kriegsindustrie. Bei Max Wernicke wurde die Angabe zum Haftgrund einfach in „Schutzhaft“/ „Berufsverbrecher“ umgeändert.

Das letzte Dokument über sein Schicksal ist ein Listeneintrag aus dem Laborbuch des KZ Neuengamme. Am 10. April 1944 wurde bei ihm Tuberkulose festgestellt. Ob er an dieser Krankheit, der mörderischen Zwangsarbeit und der mangelnden Versorgung starb oder auf die Todesmärsche geschickt wurde, ist unbekannt. Noch 1957 versuchte seine geschiedene Frau herauszufinden, was mit ihm passiert war. Seine Familie hatte nach der Deportation nie wieder von ihm gehört.

Christel Gottschalk wollte sich die Uhr eigentlich zuschicken lassen. Doch eine Freundin motivierte sie, lieber persönlich aus der Nähe von Hamburg nach Bad Arolsen zu kommen. Zu dem Besuch brachte sie ein Foto ihres Großvaters mit. „Als er fotografiert wurde, hatte er wahrscheinlich seine Uhr in der Tasche,“ sagte sie, während sie die Erinnerungsstücke betrachtete. Einige Tage später schrieb sie in einer Mail: „Ich bin noch immer fasziniert, nach gut 80 Jahren halte ich etwas in meinen Händen, das meinem Großvater gehört hat und ihm sicherlich sehr wichtig gewesen ist.“

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