Effektenrückgabe in Kooperation mit Gedenkstätte Stutthof
Am 2. September 1939, nur einen Tag nach dem Überfall auf Polen und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, eröffneten die Nationalsozialisten das Konzentrationslager Stutthof, 37 Kilometer östlich von Danzig. 78 Jahre später konnte der International Tracing Service (ITS) der Familie eines ehemaligen Häftlings nun seine persönlichen Gegenstände überreichen. Die Rückgabe war dank der Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Stutthof möglich. Der polnische TV-Sender TVN begleitete die Recherchen.
Boguslawa Tartakowska, Archivarin der Gedenkstätte, und ITS-Mitarbeiterin Malgorzata Przybyla hatten gemeinsam nach der Familie des ehemaligen Häftlings Zygmunt Boboli gesucht. Im Archiv der Gedenkstätte entdeckten die Beiden eine Adresse in Warschau. Daraufhin konnte der ITS die Enkelin Ewa Sioda ausfindig machen und heute die Taschenuhr des Großvaters zurückgeben.
Am 31. August 1944 war Boboli im Alter von 42 Jahren wegen der Beteiligung am Warschauer Aufstand inhaftiert und in das KZ Stutthof überstellt worden. Das Lager war das erste seiner Art nach dem Überfall auf Polen. Bereits seit 1936 hatte die Nationalsozialistische Bewegung in der Freien Stadt Danzig Karteikarten von „unerwünschten Polen“ angefertigt, die verhaftet werden sollten. Zu den Inhaftierten zählten zunächst polnische Intellektuelle und Juden aus Danzig. Im Jahr 1944 steigerte sich die Zahl der Häftlinge auf bis zu 57.000. Insgesamt waren in Stutthof etwa 110.000 Menschen inhaftiert, wovon bis zur Befreiung am 9. Mai 1945 ungefähr 65.000 umkamen.
Boboli blieb nur wenige Tage im KZ Stutthof. Am 4. September 1944 erfolgte seine Verlegung ins KZ Neuengamme und von dort ins Außenkommando Watenstedt zur Granatenproduktion. Die letzte Station war das Konzentrationslager Ravensbrück, wohin die Häftlinge nach der Evakuierung von Watenstedt Mitte April 1945 gebracht worden waren. Boboli überlebte. „Zitternd und abgemagert ist er auf den Schultern eines Kollegen bei seiner Familie abgegeben worden“, berichtet seine Enkelin Ewa Sioda. „Er war sehr krank und brauchte Jahre, um sich zu erholen. Über die Kriegszeit wollte er nie sprechen.“ Im Jahr 1971 ist Boboli verstorben.
Die Taschenuhr, die jetzt zurück in den Kreis der Familie gekehrt ist, sieht Ewa Sioda als einen fassbaren Beweis für die damalige Zeit an. „Mein Großvater hatte sie bis zum Ende bei sich – eine Erinnerung, die wir in den Generationen weiterreichen werden.“ Der ITS sucht nach weiteren Familienangehörigen von ehemaligen Häftlingen, deren persönliche Gegenstände sich noch im Archiv des ITS befinden. Die Namen und Fotos sämtlicher Gegenstände sind im Online-Archiv einsehbar, darunter über 650 Effekten von Polen.