Fußball, Rugby, Autorennen, Tennis – Allan Muhr war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Sportarten erfolgreich. Der gebürtige Amerikaner verbrachte den Großteil seines Lebens in Frankreich, wo er ein bekannter Rugby-Spieler und später hochrangiger Sportfunktionär war. In beiden Weltkriegen unterstützte Allan die französische Armee als freiwilliger Sanitäter – bis die deutschen Besatzer ihn 1944 ins KZ brachten. Seine Armbanduhr, die ihm bei der Verhaftung abgenommen wurde, haben die Arolsen Archives bis jetzt aufbewahrt.

1882 in eine wohlhabende jüdische Familie in Philadelphia geboren, wanderte der gerade volljährig gewordene Allan um die Jahrhundertwende allein nach Frankreich aus. „Allan Muhr hatte vor, sich in Europa ganz dem Sport zu widmen“, erklärt Fréderic Humbert, der als Experte für Rugby-Geschichte und Kurator für das World Rugby Museum das Schicksal von Allan Muhr recherchiert hat. „Er konnte sich das leisten, weil er vom Vermögen seiner Familie lebte und nie arbeiten musste. So wurde der Sport zum Mittelpunkt seines Lebens.“

 

Talentierter Rugby-Spieler

Allans Hauptinteresse galt dem Rugby, wo er sich als talentierter Spieler schnell einen Namen machte. 1904 wurde er zum Kapitän des Racing Club de France ernannt und spielte bei den ersten drei internationalen Rugby-Wettkämpfen Frankreichs mit. Wegen seiner englischen Sprachkenntnisse spielte er 1910 auch eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen für die Aufnahme Frankreichs in das „Six Nations“ Rugby-Turnier, dessen Gewinner als inoffizieller Europameister gilt.

Allan Muhr mit dem französischen Team vor einem Spiel gegen England im Jahr 1907.

 

Gleichzeitig spielte Allan erfolgreich Tennis – bis hin zu einer Teilnahme an der Französischen Meisterschaft 1909. Im Februar 1913 war er aktives Gründungsmitglied des Internationalen Tennisverbandes in London. Außerdem fuhr er als Amateur bei Autorennen mit und spielte in einem Pariser Fußball-Club. Allan versuchte sogar, Baseball in Frankreich zu etablieren – das war allerdings nicht von Erfolg gekrönt.

 

Wichtiger Sportfunktionär

1920 beendet Allan seine Karriere als aktiver Sportler und widmet sich der Organisation von internationalen Wettkämpfen und der Entwicklung der französischen Teams im Rugby und im Tennis. Er wurde stellvertretender Vorsitzender des ersten europäischen Mehrsportvereins „Racing Club de France“ und Kapitän der französischen Davis Cup-Tennisteams, das er zu internationalem Erfolg führte. Außerdem leitete er die Rugby-Abteilung des Racing Clubs und wählte die Spieler für das französische Rugby-Nationalteam aus. Als die Olympischen Spiele 1924 in Frankreich ausgetragen wurden, war Allan für die Wettkampforganisation und die internationalen Verhandlungen verantwortlich.

Allan Muhr (hintere Reihe, 4.v.r) mit dem offiziellen Olympia-Komitee für Frankreich

 

Freiwilliger Sanitäter an der Front

Im Ersten Weltkrieg führte Allan eine freiwillige Einheit von Sanitätern an, die verwundete Soldaten von der Kriegsfront ins „American Ambulance Hospital“ brachte, das bei Ausbruch des Krieges von US-Amerikanern in Paris gegründet worden war. Als die USA 1917 in den Krieg eintraten, wurde diese Organisation in die US-Armee integriert und so wurde auch Allan ein Offizier der amerikanischen Streitkräfte.

Ausgezeichnet

Für die „großartige und ununterbrochene“ Arbeit seiner Einheit von freiwilligen Sanitätern direkt an der Front wurde Allan Muhr 1918 mit einem Orden der US-Armee ausgezeichnet.

Flucht vor den Besatzern

Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, war Allan 57 Jahre alt und lebte mit seiner belgischen Frau Madeleine Braet und Sohn Philippe in Paris. Ab Mai 1940 arbeitete er wieder für den American Ambulance Service. Nachdem die USA 1941 in den Krieg eingetreten waren, musste er vor den deutschen Besatzern in den Untergrund fliehen. Seinen Sohn nahm er mit. Gemeinsam mit anderen US-Bürgern und Mitgliedern der Résistance harrten sie ein Jahr lang in Savat aus, einem kleinen Dorf in der Auvergne, wo die Nazis sie im November 1943 fassten. Allan und Philippe wurden ins KZ Neuengamme deportiert. Dort kam Allan ein Jahr später um. Philippe überlebte und kehrte zurück nach Frankreich, wo er 1999 kinderlos starb.

 

Leihgabe für die Erinnerung

Die Arolsen Archives haben die Armbanduhr von Allan bis jetzt aufbewahrt. Erst kürzlich hat eine kanadische Journalistin entfernte Verwandte in den USA aufgespürt, die sie nun entgegennehmen und 2022 dem World Rugby Museum in London ausleihen. Danach wird sie eventuell noch im National Museum of Jewish History in Philadelphia und in Paris anlässlich der Rugby-Weltmeisterschaft ausgestellt.

Zur Effekte im Online-Archiv

»Die Rückgabe dieser Uhr bringt der Familie nicht nur ein Andenken an einen Verwandten. Sie erzählt die Geschichte ihres Besitzers und erinnert daran, dass es ihn gab, dass er geliebt wurde und dass man an ihn denkt.«

Megan Cameron, Journalistin und freiwillige Helferin für die Arolsen Archives
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