Janine Marciniak war drei Jahre alt, als ihr Vater Stefan Tarapacki von den Nationalsozialisten verhaftet wurde. Er kehrte nie nach Hause zurück. Janines Mutter suchte noch einige Jahre erfolglos nach ihrem Mann. „Mein jüngster Sohn Tony war die treibende Kraft, um die Suche nach dem Grab seines Großvaters fortzuführen“, berichtet Janine Marciniak. „Eigentlich hatte ich alles ausgeblendet. Meine Mutter starb, als ich siebzehn war.“

Vor einigen Jahre wähnte sich die Familie fast am Ziel. Sie hatten bei ihrer Suche einen Hinweis erhalten, dass Stefan Tarapacki im tschechischen Liebenau begraben sein könnte. Aber selbst die Reise in die Stadt und die Suche vor Ort brachten keine neuen Spuren. Der Grund war eine Verwechslung. Das erfuhr die Tochter jedoch erst 2006 durch eine Anfrage beim ITS. Stefan Tarapacki aufbewahrt werden. Vor der Öffnung des Archivs 2007 erhielten Angehörige lediglich eine Auswertung mit Informationen über den Verfolgungsweg, jedoch keine Kopien der Dokumente.

Janine Marciniak und ihre Kinder besuchten die Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau. Sie brachten Bilder von Stefan Tarapacki mit, die für den Geschäftsführer der Dokumentationsstelle, Martin Guse, besondere Bedeutung haben: „Zum ersten Mal sehen wir das Bild eines im AEL Liebenau verstorbenen Häftlings. Sein Name befindet sich in unserer Kartei. Endlich können wir ihm sein Gesicht zurückgeben.“ Bei einer Führung über das Gelände der Pulverfabrik, die zwischen 1941 und 1945 einer der größten Rüstungsbetriebe des NS-Regimes war, erzählte Martin Guse mehr über das Schicksal der etwa 6.000 Häftlinge im „Arbeitserziehungslager“: „Die Internierung dauerte nicht länger als ungefähr drei Wochen. In dieser kurzen Zeit sollte jeder Wille gebrochen werden“. Mindestens 250 Menschen starben dort.

Für die Familie war der anschließende Besuch des Friedhofs ein sehr emotionaler Moment – auch wenn es keine Einzelgräber gibt. „Er liegt hier irgendwo. Vielleicht stehen wir gerade auf seinen Überresten“, sagte Janine Marciniak unter Tränen und sammelte ein wenig Erde. „So kann ich einen Teil von ihm mit nach Hause nehmen“. Um ihn von den anonymen Toten hervorzuheben, möchte die Familie bei ihrem nächsten Besuch auf dem Friedhof einen Baum pflanzen: „Einen, der sich von den anderen abhebt. Zum Beispiel einen Ahorn mit roten Blättern, damit man weiß, Stefan ist hier.“

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