Erste #everynamecounts-Kooperation mit Gedenkstätte Flossenbürg

Die Arolsen Archives erschließen zum ersten Mal gemeinsam mit einer großen KZ-Gedenkstätte eine einzigartige Dokumenten-Sammlung über Zehntausende NS-Verfolgte: Auf den sogenannten Effektenkarten erfasste die SS wichtige Informationen über KZ-Häftlinge – häufig letzte Spuren ihres Lebens. Der Bestand aus dem KZ Flossenbürg steht nun auf der Crowdsourcing-Plattform #everynamecounts bereit: Freiwillige werden die Informationen digitalisieren, damit sie für Angehörige sowie Forschung und Bildung nutzbar sind.

Viele Millionen der Original-Dokumente über NS-Verfolgte aus den Arolsen Archives liegen bereits als digitale Scans vor. Jede*r kann sie in unserem Online-Archiv einsehen. Um Wissenschaftler*innen, Schüler*innen und den Familien der Verfolgten eine tiefgehende und aufschlussreiche Recherche zu ermöglichen, brauchen wir aber nicht nur die Dokumente selbst, sondern auch alle Informationen darauf in digitaler Form. Dabei helfen Tausende Freiwillige bei der Crowdsourcing-Initiative #everynamecounts. Sie bearbeiten Millionen Dokumenten-Scans und digitalisieren die Daten darauf.

Zusammenarbeit mit Gedenkstätte Flossenbürg

Ab sofort gibt es bei #everynamecounts einen neuen Bestand: Über 50.000 sogenannte Effektenkarten aus dem KZ Flossenbürg, die in den Arolsen Archives aufbewahrt werden. Sie enthalten Informationen über die Verfolgungswege von KZ-Häftlingen, die oft nur an dieser Stelle erfasst wurden. Von der #everynamecounts-Kooperation profitieren beide Partner: Sie können die digitalen Informationen in ihre Datenbanken einspeisen und damit neues Wissen über Verfolgungswege und die Häftlinge aus Flossenbürg bereitstellen.

 

»Bei dieser Kooperation bringen wir das Wissen der Arolsen Archives und der Gedenkstätte Flossenbürg mit dem Engagement der #everynamecounts-Freiwilligen zusammen. Gemeinsam machen wir neue Daten über Zehntausende KZ-Häftlinge zugänglich. Die Erinnerung heute lebt von solchen Projekten.«

Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives

Was sind Effektenkarten?

Auf den Effektenkarten hat die SS sämtliche Habseligkeiten erfasst, die Menschen bei der Verhaftung mit sich trugen, von ihrer Bekleidung über Schmuck bis hin zu Briefen. Für Forscher*innen sind darüber hinaus noch viele weitere Informationen auf diesen Dokumenten relevant: Hier wurden Berufe, Geburts- und Wohnorte, Häftlingskategorien (z.B. „Politisch“, „Asozial“), Daten zur Einlieferung oder zur Überstellung in ein anderes KZ verzeichnet. In manchen Fällen finden sich auch die Sterbedaten.

 

»Mit der digitalen Erfassung dieser Informationen schaffen wir eine Grundlage für weitere Erschließungs- und Forschungsprojekte. Außerdem ermöglichen wir die Analyse großer Datenbestände mit den neuen Methoden der Digital Humanities.«

Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

 

Effektenkarten enthalten wichtige Daten für Angehörige

Auch für die Angehörigen von KZ-Häftlingen, die während ihrer Haft verstarben, haben die Effektenkarten heute eine wichtige Bedeutung: Die Häftlinge mussten das Dokument unterschrieben. Diese Unterschrift ist oft das letzte persönliche Zeichen für ihre Verwandten. In vielen anderen Fällen können die Familien dank einer Effektenkarte besser den Verfolgungsweg nachvollziehen. Manchmal finden sie sogar Angaben über weitere Angehörige ihres Verwandten, die sie noch nicht kannten.

 

Izok Rypp (Foto: Privat)
Izoks Effektenkarte aus dem KZ Flossenbürg. Hier war er nur knapp drei Wochen inhaftiert.

Izok Rypp

… war erst 15 Jahre alt, als die Nazis ihn 1942 im jüdischen Ghetto Rzeszów (Polen) zur Zwangsarbeit in einem nahen Daimler-Benz-Werk verschleppten. 1944 wurde die Produktion dort eingestellt und die Zwangsarbeiter von KZ zu KZ geschleppt. Die Enkelin eines der Opfer hat viele Schicksale recherchiert. Die Alliierten befreiten Izok aus dem KZ Bergen-Belsen. Er starb am 23. Juli 1947 in einem Hamburger Krankenhaus.

 

#everynamecounts-Workshop in der Gedenkstätte Flossenbürg

Zum Auftakt der #everynamecounts-Kooperation zwischen den Arolsen Archives und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg haben 16 Studierende aus ganz Europa die ersten Effektenkarten bearbeitet. Sie kamen im April 2022 bei einer internationalen Jugendbegegnung der Gedenkstätte zusammen und nahmen an einem #everynamecounts-Workshop teil. Mitarbeiter*innen der Arolsen Archives und der Gedenkstätte stellten ihnen das Projekt vor und begleiteten die Studierenden beim Indizieren auf der Crowdsourcing-Plattform Zooniverse.

 

Die Studierenden aus Russland, Ukraine, Italien, Türkei, Irland und Deutschland haben beim #everynamecounts-Workshop bereits zahlreiche Effektenkarten des KZ Flossenbürg bearbeitet. (Foto: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg)

Das KZ Flossenbürg

Von Mai 1938 bis April 1945 waren im bayerischen KZ Flossenbürg und seinen Außenlagern mindestens 100.000 Menschen inhaftiert. Sie leisteten Zwangsarbeit in Steinbrüchen, beim Ausbau des Lagers und für die Rüstungsindustrie. Über 30.000 von ihnen starben. (Foto: National Archives, Washington D.C.)

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