Am 7. Juni 2021 wird in Moskau die erste #StolenMemory-Ausstellung in Russland der Arolsen Archives in Zusammenarbeit mit MEMORIAL eröffnet. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Schicksale von zehn sowjetischen Zwangsarbeiter*innen, die von den deutschen Besatzern deportiert und später im Konzentrationslager Neuengamme oder dessen Außenlagern inhaftiert wurden.

All ihre persönlichen Gegenstände wurden ihnen bei der Inhaftierung abgenommen. Die Arolsen Archives haben noch einige dieser Erinnerungsstücke in ihren Beständen und suchen die Familien der Besitzer, um die Schmuckstücke, Fotos und Uhren zurückzugeben. Die Arolsen Archives kooperieren bei dieser Ausstellung mit MEMORIAL, einer Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Moskau. Die Organisation setzt sich unter anderem für die Aufarbeitung der Geschichte und für die Familien ehemaliger Zwangsarbeiter in Russland ein. Wir sprachen mit Evelina Rudenko von International Memorial:

Der Fokus der Ausstellung #StolenMemory in Moskau liegt auf den Schicksalen ehemaliger Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion. Welche Rolle spielt diese Gruppe in der russischen Erinnerungskultur?

Evelina Rudenko: Die Geschichte der „Ostarbeiter“ – Zwangsarbeiter aus der UdSSR – ist ein weißer Fleck im kollektiven Gedächtnis des Zweiten Weltkriegs in Russland. Ehemalige „Ostarbeiter“ sprachen nicht über ihre Erfahrungen im Dritten Reich während der Sowjetzeit, so dass viele Enkel und Urenkel erst in den 1990er Jahren oder sogar erst nach dem Tod von Verwandten von der Zwangsarbeit erfuhren und in den hintersten Winkeln des Familienarchivs Fotos aus Nazideutschland fanden. Jetzt sucht die dritte und vierte Generation aktiv nach Informationen darüber, wo ihre Verwandten hingehen mussten, in welchen Fabriken oder Höfen sie arbeiteten.

»Das Projekt #StolenMemory wird der russischen Öffentlichkeit helfen, sich als Teil einer großen Gemeinschaft von Menschen aus aller Welt zu fühlen, die mit ihrer täglichen Arbeit dazu beitragen, die Folgen des Nationalsozialismus zu überwinden.«

Evelina Rudenko, International Memorial, Moscow

Doch bei der Suche stoßen die Menschen auf viele Probleme, viele russische Archive sind für die Menschen unzugänglich, weil es keine speziellen Suchdienste im Land gibt. MEMORIAL ist eine der wenigen Organisationen, die den Nachkommen ehemaliger Zwangsarbeiter hilft. Deshalb ist die Ausstellung #StolenMemory für die russische Öffentlichkeit sehr wichtig. Sie wird die Menschen mit den Aktivitäten der Arolsen Archives bekannt machen und zeigen, wie die Suche nach Opfern des Nationalsozialismus und ihren Dokumenten in Europa abläuft.

Wie würden Sie die Bedeutung von #StolenMemory für die Familien beschreiben, die möglicherweise Habseligkeiten ihrer Angehörigen erhalten oder erhalten haben, und auch für die russische Gesellschaft?

Evelina Rudenko: Es ist sehr wesentlich, dass sich die Ausstellung auf „Ostarbeiter“ und Häftlinge der Konzentrationslager konzentriert. In den letzten Jahren wird in Russland immer mehr über die Helden des Zweiten Weltkriegs gesprochen, aber den Opfern wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Mit Hilfe der Ausstellung #StolenMemory wollen wir zeigen, dass auch das Schicksal der einfachen Menschen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben, von großer Bedeutung ist und ihre Besitzstücke an ihre Angehörigen zurückgegeben werden sollte.

Darüber hinaus wird das Projekt #StolenMemory der russischen Öffentlichkeit helfen, sich als Teil einer großen Gemeinschaft von Menschen aus aller Welt zu fühlen, die mit ihrer täglichen Arbeit dazu beitragen, die Folgen des Nationalsozialismus zu überwinden.

#StolenMemory in Russland

2,5 Millionen sowjetische Frauen und Männer wurden von den deutschen Besatzern verschleppt, um Zwangsarbeit zu leisten. Viele von ihnen kamen in Konzentrations-lagerhaft, in der sie sie alle persönlichen Gegenstände abgeben mussten. Die Arolsen Archives haben noch einige dieser Erinnerungsstücke in ihren Beständen und suchen die Familien der Besitzer*innen, um die Schmuckstücke, Fotos und Uhren zurückzugeben.

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Was hoffen Sie, mit dieser Ausstellung zu erreichen?

Evelina Rudenko: Wir hoffen wirklich, dass wir mit Hilfe der Ausstellung #StolenMemory und der sozialen Netzwerke die Nachkommen finden und ihnen die Sachen ihrer Verwandten zurückgeben können. Aber neben dem großen Ziel, das zurückzuerhalten, was von den Nazis genommen wurde, wollen wir den Menschen bei der Suche nach Archivdokumenten helfen. Wir wollen Anleitungen zur Archivsuche geben, sie in die größten Archive – zum Beispiel die Arolsen Archives – einführen, ihnen erklären, wie und wo man nach Dokumenten suchen kann. Wir verstehen, dass die Suche eine sehr komplexe und zeitaufwendige Aufgabe ist. Deshalb bemüht sich MEMORIAL, die Nachkommen zu unterstützen und sie mit dieser schwierigen Aufgabe nicht alleine zu lassen. 

Die Ausstellung wird in russischer Sprache im Büro von MEMORIAL in Moskau (Karetny ryad 5/10) gezeigt. Sie wird bis zum 15. August 2021 für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

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