Gesichter von Überlebenden
Der ITS hat eine Kartei mit Seltenheitswert erschlossen, eine Foto-Kartei zum ehemaligen Konzentrationslager Dachau aus dem ersten Nachkriegsjahr. Sie enthält rund 2.000 Bilder von Überlebenden. Und damit Gesichter zu den Schicksalen ehemaliger Häftlinge wie dem jungen Zwangsarbeiter und KZ-Insassen Stanislaw Galka oder dem mehrfach inhaftierten Elias Karl Fridman.
Es ist eine kleine, aber besondere Kartei, die viele Jahrzehnte im Verborgenen lag, da sie für die Personensuche beim ITS kaum relevant war: eine Kartei mit rund 2.000 Fotos von Überlebenden des Konzentrationslagers Dachau. Sie entstand, als die NS-Opfer Haftzertifikate brauchten, damit Hilfsorganisationen sie unterstützten. Um nachzuweisen, dass und wie lange sie im Konzentrationslager Dachau waren, mussten sie zwei Fotos von sich abgeben – eins für die Akten, eins zum Aufkleben auf das Zertifikat. Das sollte Fälschungen verhindern. Diese Kartei ging etwas später an den ITS. Jetzt sind die Dokumente digitalisiert und indiziert, sodass man in der Datenbank nach Namen oder Geburtsdatum suchen kann. Ab Frühjahr 2019 werden sie online zur Verfügung stehen.
„Fotos sind von besonderem Wert, weil wir nur wenige davon haben, und noch weniger im Original“, sagt Franziska Schubert vom ITS, die das Projekt betreut hat. „Vor allem handelt es sich hierbei nicht um Täter-Dokumente, sondern um Bilder, die die Überlebenden selbst einreichten.“ Manche von ihnen sind in Freizeitkleidung zu sehen, manche in Uniformen, einige wenige tragen Häftlingsanzüge – vermutlich da sie ganz kurz nach der Befreiung noch nichts anderes besaßen.
„Manchmal lässt der alte Blick in den jungen Gesichtern ahnen, was die Menschen durchgemacht haben“, sagt Franziska Schubert. Zum Beispiel bei Stanislaw Galka, einem jungen Mann in Hemd und Sakko, der durch die Kamera hindurch zu schauen scheint. Die Nationalsozialisten zwangen den polnischen Landarbeiter, mit 16 Jahren in einer Motoren-Firma in Friedrichshafen zu arbeiten und deportierten ihn Anfang 1945 in das KZ Dachau. Er überlebte und stellte früh einen Antrag auf Haft-Anerkennung. Vermutlich lernte er im Lager für Displaced Persons seine spätere Frau Stefania kennen, mit der er 1951 in die USA auswanderte.
Von dem ungarischen KZ-Häftling Elias Karl Fridman ist sogar das Zertifikat mit dem Foto erhalten. Er trägt Uniform-Mütze, Hemd und Krawatte, die Schultern hängend und den Blick abgewandt. Die Nationalsozialisten nahmen den Elektrotechniker als „jüdischen Mischling“ 1939 fest und setzten ihn zur Zwangsarbeit am Flughafen Prag ein, von wo er jedoch floh. Ein Jahr lang konnte er unerkannt an der Volksoper Wien arbeiten, dann geriet er wieder in NS-Haft – Teil einer Tortur, die ihn in verschiedene KZs und Gefängnisse in Prag, Theresienstadt, Dresden, Auschwitz, Warschau und Dachau sowie das Außenlager Mühldorf brachte. Nach der Befreiung ging er nach Prag und später in die USA, wie eine Anfrage von 1981 zeigt.