Am 18. Mai erreichte uns der begeisterte Facebook-Post von Suzanne Volke, einer amerikanischen Geschichtslehrerin der Ramstein Highschool in Rheinland-Pfalz. Wir nahmen Kontakt zu ihr auf und erfuhren die Geschichte eines lebendigen Geschichtsprojekts mit Dokumenten der Arolsen Archives in Zeiten der Corona-Beschränkungen.

Suzanne Volke unterrichtet Geschichte an der Ramstein High School, die meisten ihrer Schüler*innen sind 17 bis 18 Jahre alt, Kinder von Angestellten der Air Base. In Vertiefungskursen unterrichtet sie unter anderem Europäische Geschichte. Jedes Jahr reist sie mit ihren Klassen zu den Schauplätzen europäischer Geschichte nach Berlin, Florenz oder Versailles, aber auch an die Orte lokaler Geschichte wie nach Frankfurt oder zur Gedenkstätte SS-Sonderlager / KZ Hinzert in Rheinland-Pfalz. Ein Thema hierbei ist auch das Projekt Stolpersteine, das für die Lehrerin bei den Reisen in Deutschland immer ein Anstoß zu Geschichtslektionen vor Ort ist. Doch in diesem Jahr kam alles anders. Suzanne Volke erzählt:

„Dieses Jahr wollten wir zum ehemaligen KZ Hinzert fahren und auf dem Weg im nahe gelegenen Kaiserslautern einen Weg der Stolpersteine nachgehen und besprechen. In Vorbereitung der Fahrt recherchierten die Schüler*innen die Adressen und holten Hintergrundinformationen ein. Dann, drei Tage vor der Exkursion, wurden unsere Pläne von den Covid19-Beschränkungen durchkreuzt. Deshalb suchten wir nach einer Möglichkeit, das Exkursionsthema von Zuhause aus zu bearbeiten. Etwas, das mich persönlich immer irritiert bei der Beschäftigung mit NS-Verbrechen, war die Reduzierung der Opfer, ihrer Namen und Geschichten, auf „Nummern“. Das macht es so einfach, die Verbrechen zu verdrängen und Distanz zu wahren! Ich möchte den Schüler*innen aber klar machen, dass Geschichte in ihrem unmittelbaren Umfeld stattfindet, vor ihrer Haustür und nicht etwa nur in Geschichtsbüchern oder im Unterricht.

Deshalb nahmen wir die Recherchen für das Stolpersteine-Projekt wieder auf und ich stellte ihnen zusätzlich die Arolsen Archives vor, um das Geschehen in Kaiserslautern in einen größeren Zusammenhang zu stellen und anhand der Dokumente zum Beispiel die Deportationen in Europa zu verstehen. Die SchülerInnen sprangen ins kalte Wasser und waren mit Herzblut bei der Sache.

Sie ließen sich nicht einmal von der schwierigen Aufgabe entmutigen, die deutschen Dokumente zu übersetzen und empfanden großen Respekt vor ihrer Aufgabe: Nachzuvollziehen, was vor rund acht Jahrzehnten mit Menschen geschah, die in der Stadt lebten, in der sie heute shoppen, bummeln oder sich mit Freunden treffen. Auf einmal wurden die Namen auf den Stolpersteinen zu Lebensgeschichten von Personen, sie fanden Hinweise auf Schicksale, auf die Konzentrationslager, zu denen sie deportiert wurden, aber auch, wer sie in ihrem früheren Leben waren. Ihre Fotos, ihre Geschichten, machten dies zu einer der bedeutendsten und bewegendsten Arbeiten, bei denen ich meine Schüler jemals begleiten durfte. Das werden wir hoffentlich im nächsten Jahr wieder machen!“

 

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