Der 27. Januar ist der internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. In vielen Fußballstadien in Deutschland wird an den Spieltagen um diesen Termin mit verschiedenen Aktionen an die Verfolgung und Ermordung von Fußballern und Vereinsmitgliedern erinnert. Der Anstoß für den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ ging im Jahr 2004 von der Initiative „!Nie wieder“ aus. Eine Gruppe von Fußballbegeisterten wollte sich damit aktiv Rassismus, Antisemitismus und Gewalt in den Fankurven entgegenstellen.

Unter dem Motto „Erinnern reicht nicht! – Einmischen gegen Rechts für ein geeintes Europa“ organisierte die Initiative außerdem zum zweiten Mal eine Wochenendveranstaltung in Frankfurt. Vom 11. bis 13. Januar 2019 diskutierten mehr als 200 Engagierte aus Vereinen, Verbänden und Fanprojekten über aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen im Fußball und das Lernen aus der (Sport-)Geschichte. Emotionaler Höhepunkt der Veranstaltung war die Begegnung mit vier Zeitzeug*innen, die ihre Geschichte erzählten.

Mit dabei war Christiane Weber, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Forschung und Bildung beim International Tracing Service (ITS). Gemeinsam mit Anton Löffelmeier vom Stadtarchiv München organisierte sie den Workshop „Den Opfern einen Namen geben – Biographische Recherchen zu den im Nationalsozialismus ausgeschlossenen, vertriebenen und ermordeten jüdischen Vereinsmitgliedern“.

Im Zentrum stand der 1891 geborene Münchener Otto Albert Beer, der federführend für die Nachwuchsförderung des FC Bayern zuständig war. Aus verschiedenen Dokumenten konnten die Teilnehmer*innen herausarbeiten, wie er Opfer der zunehmenden Repressionen gegen Juden wurde: Die Nazis arisierten Ende 1938 sein Geschäft. Im Rahmen der Novemberpogrome wurde er am 10.11.1938 verhaftet und für einen Monat im KZ Dachau inhaftiert. Am 8. Februar 1939 erhielt Otto Albert Beer eine neue Kennkarte. Ein aufgedrucktes „J“ und der zwangsweise angenommene Beiname „Israel“ markierten ihn fortan als Juden. Zusammen mit seinen beiden Kindern und seiner Frau wurde Otto Albert Beer 1941 ins Ghetto Kaunas nach Litauen deportiert und dort ermordet.

Peter Heering von Fanprojekt des FSV Frankfurt beschrieb die Teamarbeit während des Workshops: „Es sieht keiner alles, aber zusammen haben wir viel rausgefunden“. Am Ende wurde aus dem bloßen Namen ein Mensch.

Christiane Weber unterstreicht die besondere Bedeutung, die der Fußball bei der Annäherung an die Geschichte hat: „Wir erleben immer wieder, dass es gerade Jugendlichen schwer fällt, sich emotional in Beziehung zu den Verfolgten zu setzen. Wenn jemand im gleichen Verein Fußball gespielt hat, schafft das Verbundenheit und öffnet den Weg zu einem tiefer gehenden Verständnis.“

Begeistert war sie von dem vielseitigen Engagement der Tagungsteilnehmer*innen: „Viele sind in Fanprojekten involviert, bei denen es darum geht, die Fans für die NS-Verfolgung zu sensibilisieren. Zum Beispiel werden Gedenkstättenfahrten oder Workshops organisiert. Und es besteht großes Interesse daran, die eigene Vereinsgeschichte aufzuarbeiten.“ Denn auch 1933 war das Fußballfeld kein politikfreier Raum: viele Vereine folgten der Aufforderung des Deutschen Fußballbundes und schlossen jüdische oder kommunistische Spieler, Funktionäre, aber auch einfache Mitglieder, Förderer und Anhänger aus.

Daniel Lörcher, Fanbeauftragter von Borussia Dortmund betont: „Aufarbeitung endet nicht. Sie muss immer wieder gemacht werden.“

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