Alle Anfragen der Familie nach dem Verbleib von Miquel Obradors Mas im Zweiten Weltkrieg waren im Nichts geendet. Doch im Sommer 2018 konnte der ITS seinen drei Enkelinnen die persönlichen Gegenstände des Mannes zurückgeben.

Sie hatten die Hoffnung längst aufgegeben, noch einmal etwas von ihrem Großvater zu hören. Dann erhielten sie seine Brieftasche mit vielen Familienfotos. Zugleich gab es für die Enkelinnen mehr als 20 Jahre nach ihren letzten Nachforschungen endlich die Begründung, warum so wenige Spuren in den Archiven zu finden waren. Der Großvater tauchte in den Dokumenten mit verändertem Namen und Geburtsort auf. „In der Familie konnten wir niemanden fragen und über die Vergangenheit sprechen,“ erklärt Montse Blanco. „Meine Mutter und meine Großmutter starben, als wir noch klein waren. Und auch andere Verwandte hatten keine Informationen. Nicht einmal seine Nichte – die seine letzten Briefe aus Frankreich erhalten hatte.“

Miquel Obradors Mas wurde am 13. September 1900 im spanischen Navàs geboren. Er wurde Maurer, heiratete und hatte eine Tochter. Auf mehreren Fotos in der Brieftasche sind seine Tochter Margarida, seine Nichte und einige Freunde zu sehen. Aus politischen Gründen verließ er wie mehrere Hunderttausend Spanier seine Heimat und ging ins Exil. Vermutlich 1939, am Ende des Spanischen Bürgerkriegs, zog er nach Frankreich. Bis 1943 schickte er mehrere Briefe von dort an seine Nichte, dann verlor sich seine Spur lange Zeit. Da die Familie nichts mehr von ihm hörte, schickte sie einen Brief an die Stadtverwaltung des Ortes, in dem er zuletzt lebte. Offenbar hatte Obradors 1944 die Stadt verlassen, um sich dem Französischen Widerstand anzuschließen. Weitere Nachforschungen blieben ohne Ergebnis.

Seine drei Enkelinnen nahmen die Recherche zwischen 1993 und 1996 wieder auf. „Da das Ergebnis negativ war, haben wir danach aufgehört zu suchen“, erinnert sich Montse Blanco. Worauf schon die Angaben in seinen Briefen hindeuteten, bewahrheitete sich dann erst 2018: Er hatte offenbar seinen Namen geändert. Irma Bousquet von der Häftlingsvereinigung „Amicale de Neuengamme et de ses Kommandos“ half dem ITS bei der Recherche und fand seine Familie.

Die Akten ergaben, dass er im Polizeigefängnis in Compiègne und Teil des Konvois war, der Compiègne am 15. Juli 1944 verließ. Die Nationalsozialisten verschleppten ihn nach Deutschland, und am 18. Juli 1944 registrierte ihn der Sicherheitsdienst im KZ Neuengamme als „politischen Häftling“. Für die Familie eine völlig neue Erkenntnis: „Meine Familie wurde nie darüber informiert, dass mein Großvater in das Lager Neuengamme deportiert wurde. Seine Spur verlor sich in Frankreich“, schreibt Montse Blanco. „Ich danke dem ITS für sein Interesse an der Forschung, und ich schätze seine Arbeit.“

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