„Onkel Wilhelm ist nach Hause zurückgekehrt.“
Seit heute suchen die Arolsen Archives mit einer neuen #StolenMemory Ausstellung die Nachfahren von acht polnischen KZ-Häftlingen, die von den deutschen Besatzern verschleppt wurden. Schon vor der Ausstellungseröffnung in Żory (nahe Kattowitz) gab es einen ersten Erfolg. So konnten die Angehörigen des polnischen Zwangsarbeiters Wilhelm Winkler ausfindig gemacht werden. Die bei seiner Festnahme von den Nazis beschlagnahmte Taschenuhr wurde an seine Familie zurückgegeben.
„Die Verwandten von Wilhelm Winkler hatten schon sehr lange nach Informationen über sein Schicksal gesucht“, berichtet Elżbieta Koczar vom Städtischen Kulturzentrum Żory. Gemeinsam mit den Arolsen Archives hat Koczar die neue #StolenMemory Ausstellung in der schlesischen Stadt organisiert. Das Projekt verfolgt den Zweck, die Angehörigen ehemaliger polnischer KZ-Häftlinge aufzuspüren, um ihren von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Besitz, die sogenannten „Effekten“, an sie zurückzugeben.
Zwei Suchbewegungen verknüpft
Dass es nun schon vor der Eröffnung zu einer Rückgabe eines Erinnerungsstückes kam, ist einem Zufall zu verdanken: Winklers Schwester Elżbieta Michalik hatte erst im Frühjahr einen erneuten Versuch gestartet, herauszufinden, was mit ihrem großen Bruder Wilhelm geschehen ist. Zum gleichen Zeitpunkt begann Elżbieta Koczar vom Kulturzentrum in Żory mit den Vorbereitungen der #StolenMemory Ausstellung und erfuhr, dass die Arolsen Archives nach Wilhelm Winkler suchten. Sie machte sich kurzerhand selbst auf die Suche und stieß wenigen Tage später auf die Anfrage von Winklers Schwester. Dass die Familie nun seine Taschenuhr zurückbekamen, „war ein großes und bewegendes Erlebnis“, sagt Elżbieta Koczar.
»Es war für die Familie von Wilhelm Winkler ein großes und bewegendes Erlebnis, seine Taschenuhr als Andenken zurückzuerhalten.«
Elżbieta Koczar, Städtisches Kulturzentrum Żory
Winkler kämpfte gegen die Nationalsozialisten
Der am 26. April 1916 in Szeroka (Oberschlesien) geborene Wilhelm Winkler war Maschinenschlosser. Er trat 1937 der polnischen Armee bei und kämpfte 1939 als Soldat gegen die nationalsozialistischen Invasoren. Als einziges Mitglied seiner Familie unterschrieb er 1939 nicht die Liste für Volksdeutsche, über die er die Möglichkeit bekommen hätte, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Nachdem die Deutschen ihn in Dęblin gefangen nahmen, zwangen sie ihn ab Oktober 1940 in Ahlen/Westfalen zur Arbeit.
Im Frühjahr 1944 kehrte er mit einem Urlaubsschein ein letztes Mal nach Polen zurück, um an der Hochzeitsfeier seiner Schwester Marta teilzunehmen. Mitte des Jahres flüchtete er dann von seiner Arbeitsstelle. Die Nationalsozialisten nahmen ihn gut einen Monat später in Bielefeld fest und brachten ihn in das Konzentrationslager Neuengamme in Hamburg. Sie registrierten ihn unter der Häftlingsnummer 54 162 als politischer Häftling und beschlagnahmten seine Taschenuhr. Die letzte Eintragung in den überlieferten Unterlagen zu seiner Person ist auf den 6. Januar 1945 datiert. Danach verlieren sich seine Spuren.
Bereits 525 Effekten zurückgegeben
„Es ist ein sehr schöner Erfolg, dass wir schon vor der Eröffnung der #Stolen Memory Ausstellung in Żory eine Effekte zurückgeben konnten“, sagt Anna Meier-Osiński, Leiterin der Stabsstelle Outreach Eastern Europe der Arolsen Archives. Seit Beginn der Kampagne #StolenMemory konnten bereits die Angehörigen von 525 Effektenbesitzer*innen ausfindig gemacht werden. Darunter sind auch die Familien von 110 polnischen KZ-Häftlingen, deren Erinnerungsstücke nun wieder in den richtigen Händen sind.
„Wir unternehmen jede Anstrengung, sie an die Nachfahren zurückzugeben, und sind glücklich, wenn das gelingt“, sagt Meier-Osiński. Die Arolsen Archives bewahren derzeit noch die persönlichen Gegenstände von rund 800 Verfolgten aus Polen auf.
Die Ausstellung #StolenMemory ist bis zum 26. August 2021 auf dem Marktplatz in Żory (Rynek w Żorach) zu sehen. Neben acht offenen Suchfällen enthält sie auch eine Tafel zu der Geschichte von Wilhelm Winkler.