Er gestaltete nicht nur Dekors für die Theaterbühne, sondern auch Demo-Plakate für die Kommunistische Partei. Das wurde dem französischen Grafiker und Bühnenbildner Paul Goyard zum Verhängnis: Die Nationalsozialisten verhafteten ihn in Paris und transportierten ihn im Mai 1944 ins Konzentrationslager Buchenwald, wo er bis zur Befreiung überlebte. Während seiner Haft fertigte Paul etwa 300 künstlerische Zeichnungen an, die heute zu den seltenen erhaltenen Original-Dokumentationen aus dem KZ-Alltag gehören.

Paul Goyard wird am 28. Dezember 1886 in Digoin, Frankreich geboren. 1919 arbeitet er in Brüssel in einem Ausstattungsatelier, das Dekors für Theater anfertigt. Wenig später eröffnet er in Paris eine eigene Werkstatt für Bühnenbilder und stattet zum Beispiel Premieren für das moderne „Théâtre de l’Œuvre“ aus. Er gestaltet aber auch Plakate für Demonstrationen der kommunistischen Partei und wird Mitglied der Résistance, nachdem die Nationalsozialisten Paris eingenommen haben. Paul wird 1942 verhaftet und am 14. Mai 1944 vom Internierungslager Compiègne in das KZ Buchenwald eingeliefert. Die Haftkategorie lautete dort „Politischer Franzose“.

 

KZ-Dokument von Paul Goyard bei den Arolsen Archives: Seine Häftlingspersonalkarte in Buchenwald

 

Überleben als Künstlerkollektiv

Paul bleibt bis zur Befreiung im April 1945 in Buchenwald und überlebt mit Hilfe einer Gruppe französischer und belgischer Künstler und Intellektueller. Sie schützen sich gegenseitig und ermöglichen sich mit allerlei Tricks, künstlerisch zu arbeiten. So fertigt Paul in dem einem Jahr seiner Haft 300 Bleistiftzeichnungen auf Abfallpapier an, die die konkrete Lebenssituation im Lager zeigen: die Unterkünfte in Baracken und Zelten, das Krematorium, den Appellplatz, die ausgezehrten Menschen und die Toten.

 

Paul Goyard in Buchenwald (1944), portraitiert von seinem Mithäftling Boris Taslitzky. © mahJ / Christophe Fouin
Zeichnung von Paul Goyard (nach 1945): La corvée bidons (Essenskolonne). © Kunstsammlung Gedenkstätte Buchenwald

Einzigartige Zeugnisse

Paul Goyard und seinen Künstlerkollegen in Buchenwald war es wichtig, ihre Erlebnisse im KZ auch künstlerisch zu dokumentieren. Einige von ihnen, wie den Maler Boris Taslitzky, hatte Paul schon in der Résistance kennengelernt. Auch nach der Befreiung arbeiteten manche dieser Häftlinge weiter gemeinsam an ihren Werken über Buchenwald.

Buchenwald-Diorama

Seine Werkstatt in Paris findet Paul nach dem Krieg zerstört vor. Er arbeitet nie mehr als Bühnenbildner. Aber er fertigt auf Basis seiner Zeichnungen zusammen mit dem Maler und früheren Mithäftling José Fosty ein Diorama (ein Schaukasten mit Modellfiguren und -szenen) des KZ Buchenwald an. Dieses Kunstwerk wurde auf Wanderausstellungen gezeigt, ist aber heute leider verschollen. Pauls Lagerskizzen gerieten in Vergessenheit und gingen nach seinem Tod am 1. März 1980 in den Besitz von José Fosty über, der sie 1998 der Gedenkstätte Buchenwald übergab. 2002 veröffentlichte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora 100 der Zeichnungen mit einem Erinnerungsbericht von José Fosty sowie biographischen Dokumenten.

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