Das Schicksal der sogenannten italienischen „Militärinternierten“ in deutschen Lagern und Gefängnissen beschäftigt Andrea Ferrari und Fabrizio Tosi von der Nationalen Vereinigung ehemaliger italienischer Deportierter in nationalsozialistische Lager (ANED). Die beiden Historiker aus Bologna forschten bereits mehrfach in den Beständen des ITS zu diesem in Deutschland und Italien wenig bekannten Kapitel der NS-Geschichte.

Nachdem Italien Anfang September 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte, zerfiel das Bündnis zwischen Berlin und Rom. Die Wehrmacht nahm rund 600.000 italienische Soldaten in Gefangenschaft und entwaffnete sie. Die Männer wurden als sogenannte „Militärinternierte“ nach Deutschland deportiert. Damit verstieß Adolf Hitler gegen das Kriegsvölkerrecht: Die Inhaftierten mussten in Lagern Zwangsarbeit verrichten. Etwa 50.000 der ehemaligen Soldaten wurden ermordet oder starben aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen. Ein Weg aus der Zwangsarbeit gab es nur für diejenigen, die sich der Wehrmacht anschlossen. Doch das lehnten drei Viertel der inhaftierten italienischen Soldaten ab.

Bei ihrem Besuch beim ITS im März 2019 setzten die Forscher der ANED den Fokus ihrer Recherchen auf die Deportierten, die nicht in Lagern, sondern in Gefängnissen inhaftiert wurden. „Unser Ziel ist es, unser Bild von diesem Zeitraum zu vervollständigen“, beschreibt Andrea Ferrari das aktuelle Forschungsprojekt. Der ITS mit seinen zum Teil noch wenig erforschten Beständen ist hierfür eine wichtige Quelle. Die Erkenntnisse fließen in die wissenschaftlichen Publikationen und die Bildungsarbeit der Organisation ein.

ANED ist ein Zusammenschluss von Überlebenden, den Familien von Opfern und weiteren Engagierten in Italien. Das besondere Ziel der Vereinigung ist es, jungen Menschen die Geschichte derer zu erzählen, die sich dem Faschismus widersetzten und dafür mit ihrer Freiheit und zum Teil ihrem Leben bezahlten. Zu diesem Zweck organisiert ANED seit 1960 Fahrten für Jugendliche zu den Erinnerungsorten der Deportation in ganz Europa. Schulungen und Zeitzeugenbegegnungen dienen als Vorbereitung für die Reisen. „In den letzten Jahren steigt das Interesse an diesen Fahrten wieder an“, freut sich Andrea Ferrari. Zum anstehenden Besuch in das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen haben sich 350 Jugendliche angemeldet.

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