Der tschechoslowakisch-jüdische Journalist und Jude Štefan Lux wählt 1936 ein radikales Mittel, um vor dem NS-Regime zu warnen: Er erschießt sich während einer Sitzung des Völkerbunds vor den Augen der Deligierten.

Genf, 3. Juli 1936. Als akkreditierter Journalist besucht Štefan Lux die Völkerbundversammlung, eine Art Vorgängerinstitution der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Das Thema der Sitzung: Nach einem Überfall gegen das Kaiserreich Abessinien (Äthopien) soll an diesem Tag unter anderem über Sanktionen gegen Mussolinis Italien beraten werden. Schnell wird klar, dass wieder keine durchgreifenden Maßnahmen beschlossen werden.  

In die Lethargie der Sitzung tritt Štefan Lux vor die Versammlung, um ein Zeichen gegen diese Völkerrechtsverletzung, aber auch gegen die Entwicklungen im Deutschen Reich zu setzen. Er sieht die zunehmende Verfolgung von Juden und Jüdinnen, die Ausschaltung der Opposition und die Gefahren, die von den Nationalsozialisten ausgehen. Er ruft: „Dies ist das Ende!“, richtet dabei seine Pistole gegen die Brust und drückt ab.

Schwer verletzt bricht er zusammen. Sofort wird er vor Ort versorgt und ins Krankenhaus gebracht. Doch die Ärzte können ihn nicht retten, auch weil die Kugel in die Lunge eingedrungen ist, zu nah an das Projektil einer Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg. Eine Operation ist deshalb nicht möglich. Im Todeskampf soll Lux geäußert haben: „Ich muss sterben, damit mein Opfer Früchte trägt.“ In der Nacht zum 4. Juli 1936 stirbt der 48-Jährige.

»Ich muss sterben, damit mein Opfer Früchte trägt.«

Štefan Lux, tschechoslowakischer Journalist

 

Štefan Lux studierte in Budapest Rechtswissenschaft, wandte sich nach seinem Examen aber dem Schauspiel zu und veröffentlichte unter einem Pseudonym Gedichte und Liedtexte. 1920 führte er Regie im Spielfilm „Gerechtigkeit“, der sich mit der jüdischen Geschichte beschäftigt und wohl als eine der ersten größeren Leinwandproduktionen Antisemitismus thematisiert. Der Film wurde trotz Starbesetzung nie veröffentlicht.

 

Offen gegen den Nationalsozialismus

Anfang der 1930er Jahre war Lux zunehmend politisch aktiv geworden, als freier Journalist sprach er in verschiedenen Zeitungen offen über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Trotzdem erlangte Lux nie die Bekanntheit anderer Widerstandskämpfer*innen. Ein Grund dafür: Der Völkerbund spielte das Ereignis herunter, die Sitzung wurde sogar kurze Zeit später wiederaufgenommen. In der deutschen Presse wurde der Vorfall als Tat eines jüdischen Fanatikers abgetan.

Kurz vor dem Suizid schrieb Lux in seinem Hotelzimmer Briefe an seine Frau, aber auch an den britischen Außenminister Sir Anthony Eden mit den Worten: „Ihr werdet vor Ruinen stehen!“

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