Am 12. April 1944 wurde der Schüler Marek Dunin-Wasowicz durch die Nationalsozialisten in Warschau verhaftet. Rund sechs Wochen später transportierten ihn die Nationalsozialisten in das Konzentrationslager Stutthof. Der heute 93-Jährige hat nun als Zeuge in dem Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. ausgesagt.

Marek Dunin-Wasowicz war es wichtig, in dem Prozess gegen den SS-Wachmann in Hamburg auszusagen. Er kam deshalb im Oktober 2019 nach Hamburg, um seine Erinnerungen zu schildern. Vor 75 Jahren war er durch die NS-Sicherheitspolizei Warschau verhaftet und dann in das Konzentrationslager Stutthof deportiert worden. In den Arolsen Archives befinden sich interessante Informationen über seine Inhaftierung.

Das Konzentrationslager diente bereits 1939 unter anderem der Inhaftierung und Ermordung von Mitgliedern des polnischen Widerstands, Intellektuellen sowie verfolgten Juden und Jüdinnen. 1944, als Marek Dunin-Wasowicz dort ankam, nutzten die Nationalsozialisten die Anlage als Vernichtungslager.

Marek Dunin Wasowicz Einweisung

Aus dem Befehl der Einweisung geht hervor, dass sie dem Schüler vorwarfen der polnischen Widerstandsbewegung Polski Związek Powstańczy (PZP) anzugehören. Dort heißt es: „Ist dringend verdächtig der poln. WB (ORg PZP) anzugehören bezw. für diese tätig gewesen zu sein.“ 

 

Sein drei Jahre älterer Bruder Krzysztof, der in dem Dokument als bewaffneter Widerstandskämpfer beschuldigt wird, kam mit dem gleichen Transport in das Konzentrationslager. Die Brüder waren gemeinsam mit ihren Eltern verhaftet worden, die ebenfalls im Widerstand waren. Die ganze Familie wurde zunächst in dem gefürchteten Gefängnis Pawiak festgehalten, in dem die deutschen Besatzer zwischen 1939 und 1944 rund 37.000 Menschen ermordeten. Die Söhne wurden nach Stutthof deportiert.

Für Marek ordnete der Lagerkommandant die „Einweisung in Stufe II“ an, was in der NS-Terminologie für „besserungsfähiger politischer Schutzhäftling“ steht. Diese Haftkategorie diente dazu, Gegner*innen des NS-Regimes ohne Verurteilung in Konzentrationslager zu sperren. In dem Lager wurde dem Jugendlichen sein Name genommen, stattdessen erhielt er die Häftlingsnummer „35461“.

 

»Ich habe Angst, wenn ich verfolge, was so in Deutschland, Polen und Frankreich, und vielen anderen Ländern passiert, wenn Nationalismus und Rassismus wieder aktiv werden – und in aller Konsequenz auch Faschismus. Deswegen komme ich. Ich will keine Rache.«

Marek Dunin-Wasowicz im Prozess gegen den SS-Wachmann Bruno D.

 

Marek Dunin-Wasowicz befand sich im Sommer 1944 im sogenannten Häftlingskrankenbau des KZ. Die verharmlosende Sprache der Nationalsozialisten zeigt sich besonders bei Worten wie diesen. Denn ein Aufenthalt dort bedeutete für die geschwächten Menschen oft den Tod. Er überlebte und berichtete jetzt in seiner Aussage, dass er von dort die Gaskammern des Geländes sehen konnte.

Der letzte Nachweis über sein Schicksal findet sich in den Arolsen Archives zu Beginn des Jahres 1945, drei Monate bevor das Konzentrationslager Stutthof durch sowjetische Soldaten befreit wurde. In dieser Zeit wurden die Gefangenen zu Tausenden auf die sogenannten Todesmärsche zur „Evakuierung“ der Lager gezwungen. Viele von ihnen wurden dabei durch die Nationalsozialisten ermordet. Marek Dunin-Wasowicz und auch seinem Bruder Krzysztof gelang die Flucht.

75 Jahre später ist SS-Wachmann Bruno D. wegen Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, die heimtückische und grausame Tötung jüdischer Häftlinge unterstützt und Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen verhindert zu haben. Erst seit dem Verfahren gegen John Demjanjuk 2011 und der geänderten Rechtsprechung wird gegen SS-Wachmänner ermittelt. Seither geht die deutsche Justiz auch gegen Angehörige der Wachmannschaften von Konzentrations- und Vernichtungslagern vor, auch wenn sie nicht persönlich für einzelne Tötungen verantwortlich sind.

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