KZ-Häftlingsfriedhof in Thüringen geweiht
Über 75 Jahre nach Kriegsende weihte der Rabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Erfurt Alexander Nachama am 15. Oktober 2020 die Gräber von 315 Häftlingen des KZ-Außenlagers Berga/Elster. Sie starben dort zwischen November 1944 und April 1945 an den Folgen von Zwangsarbeit, Misshandlung, Hunger und mangelnder Versorgung. Die Arolsen Archives konnte einige Angehörige der in Berga bestatteten NS-Opfer ausfindig machen.
Im November 1944 richteten die Nationalsozialisten in der Stadt Berga/Elster das Außenlager „Schwalbe V“ des Konzentrationslagers Buchenwald ein. Ziel war es, die Treibstoffversorgung im für Hitler-Deutschland immer aussichtsloser werdenden Weltkrieg zu sichern. Etwa 3.400 Häftlinge sollten als Zwangsarbeiter für den Bau einer versteckten Treibstoff-Fabrik Tunnel in den Zickaer Berg schlagen. Bis April 1945 kamen 315 von ihnen dabei ums Leben und wurden in kleinen Massengräbern auf dem Baderberg verscharrt.
Gräberkarte eines ehemaligen Häftlings
Nach dem Krieg zeichnete der ehemalige französische Häftling Henri Pareau eine Karte, wo genau sich die Gräber seiner Kameraden befanden. Pareau war Teil des Beerdigungskommandos in Berga. Auf seinem Plan verzeichnete er auch die Namen der Toten. Lange konnte man die Karte nicht nutzen, bis auf Druck der Heimatforscherin Christine Schmidt vor zwei Jahren eine Georadaruntersuchung des Areals erfolgte. Die Untersuchung bestätigte Pareaus Aufzeichnungen: Die verstorbenen Häftlinge waren in Gräbern mit drei bis fünf Personen verscharrt worden.
Ein Grabstein für jeden der 315 KZ-Häftlinge
Die örtlichen Verantwortlichen entschieden, das unscheinbare und vernachlässigte Areal am Waldrand zu einer würdigen Grabstätte für die 315 KZ-Häftlinge umzugestalten. Am 15. Oktober 2020 weihte Alexander Nachama, Rabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Erfurt, in Anwesenheit des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und des israelischen Botschafters Jeremy Issacharoff den neu angelegten und durch die Bundesregierung finanzierten Friedhof.
Nun kennzeichnen schlichte Stelen mit den Namen der Opfer die insgesamt 75 Grabstellen. Die meisten der Toten waren Juden, viel aus Ungarn, aber auch aus Deutschland, Belgien, der ehemaligen Sowjetunion, Polen, Frankreich, Italien, Österreich, den Niederlanden, Jugoslawien, der Slowakei und Rumänien.
Angehörige wissen bis heute nichts von der Grabstätte ihrer Verwandten
Mitarbeiter*innen der Arolsen Archives halfen bei der Suche nach den Angehörigen und konnten einige Familien ausfindig machen. Die meisten wussten nicht, wo ihre von den Nationalsozialisten verschleppten Verwandten begraben liegen. Auf Grund der Corona-Krise konnten leider nur wenige der eingeladenen Angehörigen an der Einweihungszeremonie in Berga teilnehmen. Einige schickten jedoch bewegende Grußworte, die bei der Zeremonie verlesen wurden.
Die Suche nach Familien der Opfer ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Nathalie Letierce-Liebig, Koordinatorin der Suchabteilung der Arolsen Archives, hat vor allem einen Wunsch: „Ich hoffe, dass wir eines Tages auch Angehörige von Henri Pareau finden, dank dessen Zeichnung seine ehemaligen Mithäftlinge nun ein würdiges Denkmal haben.“
Heute ist ein besonderer Tag, an dem wir uns unserer Verantwortung stellen. Ein Tag, an dem wir deutlich machen, dass wir den Menschen, die hier an dieser Stelle verscharrt wurden, ein würdiges Andenken geben. Wir sind es ihnen schuldig. Und wir sind es uns schuldig. Als Deutsche, als Europäer, als Menschen. ‚Nie wieder!‘ bedeutet wirklich NIE WIEDER!
Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaats Thüringen