Die polnische Wissenschaftlerin Joanna Ostrowska erzählt in einem Gastbeitrag die Geschichte von Roman Igler. Sie ist ein Beispiel dafür, wie homosexuelle Männer während des NS-Regimes auch in Polen verfolgt wurden.

Roman Igler wurde 1913 in Posen geboren. Er war Pole und katholisch. Im Jahr 1941 arbeitete er als Anstreicher, aber vor dem Krieg war er als Kaufmann tätig. Mit 28 Jahren wurde er 1941 wegen Unzucht mit Männern in drei Fällen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. In seinem Urteil war geschrieben:

„Der Angeklagte Igler ist in der Kriegsgefangenschaft dazu gekommen, mit anderen Männern gegenseitig zu onanieren. Genaue Feststellungen sind insoweit nicht mehr möglich. Der Angeklagte hat vom September 1939 bis Januar 1940, mindestens mit einem anderen Kriegsgefangenen, 10-20 Mal auf Grund eines einheitlichen im Voraus gefassten Entschlusses gegenseitig onaniert. Auch hat er sich vier Mal von Juni bis August 1940 in gleicher Weise mit seinem Bekannten Niewitecki in Posen abgegeben. Die Unzuchthandlungen sind einmal an der Warthe, im Übrigen in Wohnungen vorgenommen worden.  Im Januar oder Februar 1941 hat Igler mit einem Bekannten in einem Hausflur der Schwaben Strasse in Posen gegenseitig onaniert“. Diese Bekannten waren auch Polen.

„Für die Gemeinschaft gefährliches Individuum“

Die Strafhaft musste er im Gefängnis in Posen und im Strafgefängnis Wronke bis 24. Juli 1943 verbringen. In der zweiten Hälfte Februar 1942 wurde Igler zusammen mit zwei anderen Häftlingen für das Zigarettenrauchen betraft und den darauffolgenden Brand in der Zelle. Die Leichtfertigkeit der Zellengenossen kostete Roman Igler drei Monate Straflager. Am 25. Juli wurde Igler von der Gestapo in Posen erneut als ein „für die Gemeinschaft gefährliches Individuum” verhaftet, zwei Monate später wurde er in das KZ Auschwitz I deportiert. Seine Häftlingsnummer war 151.420.

Dokumente über Roman Igler

Am 20. Juni 1944 wurde Roman Igler ins KZ Buchenwald transportiert. Im begleitenden Effektenverzeichnis werden bei seinem Namen aufgezählt: ein Mantel, ein Pullover, eine Weste, eine Hose, drei Unterhemden, ein Paar Schuhe und eine Unterhose. Darüber hinaus eine Dokumentenhülle, eine Uhr mit Metallarmband und knapp 89 RM. In Buchenwald bekam Igler die Nummer 62.211 und wurde erneut als polnischer politischer Häftling registriert.

Am 22. September wurde Igler ins KZ Mittelbau-Dora abtransportiert. Vor dem Kriegsende, vermutlich im April 1945, wurde Roman Igler noch einmal verlegt – ins Männerlager des KZ Ravensbrück. Er überlebte den Krieg und kehrte vor Juli 1945 in seine Heimatstadt Posen zurück. Viel mehr ist über sein Leben nach dem Krieg nicht bekannt. Sein Grabstein ist auf einem Friedhof, dem Cmentarz Górczyński, in Posen zu finden – aber ohne seinen Namen. Auf dem Grabstein steht nur der Name seiner Schwester Alina. Als Romans Sterbejahr wird 1965 angegeben.

 

»Bis 2020 waren Wissenschaftler*innen sicher, dass diese Situation, wie die von Roman, nicht möglich war. Für mich ist es wichtig herauszustellen, dass wegen des Paragraphen 175 nicht nur deutsche Männer von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, sondern auch Polen.«

Joanna Ostrowska, Historikerin, Filmwissenschaftlerin und Dramaturgin, Copright: W. Orski

 

Ein ausführliches Interview mit Joanna Ostrowska könnt ihr hier lesen.

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